Jedem fünften Schweizer fehlt Geld für Zahnarzt

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Studie zeigtJeder Fünfte geht nicht zum Zahnarzt, weil das Geld fehlt

Viele Schweizerinnen und Schweizer sparen aus Geldnot beim Zahnarzt. Eine Nationalrätin der Grünen will deshalb, dass die Krankenkasse bezahlt. Gegner befürchten hohe Mehrkosten für alle.

von
Anja Zingg
Mikko Stamm
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Fidan (45) kann sich den Zahnarzt nicht leisten. 

Fidan (45) kann sich den Zahnarzt nicht leisten. 

privat
So wie ihr geht es einer Studie zufolge jeder fünften Person in der Schweiz. (Symbolbild)

So wie ihr geht es einer Studie zufolge jeder fünften Person in der Schweiz. (Symbolbild)

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Ein Vorstoss im Parlament soll dies nun ändern. (Symbolbild)

Ein Vorstoss im Parlament soll dies nun ändern. (Symbolbild)

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Darum gehts

  • In der Schweiz geht laut einer Studie jede fünfte Person aus Kostengründen nicht zur Zahnkontrolle.

  • Auch in der 20-Minuten-Community gibt es Betroffene.

  • Ein Vorstoss will nun, dass die Krankenkassen die Zahnarztkosten übernehmen.

  • Gegner warnen vor hohen Kosten.

Trotz Zahnweh nicht zum Zahnarzt? Für Fidan (45) ist das normal. Sie war seit Jahren nicht mehr beim Zahnarzt, weil es finanziell nicht drin liegt. «Mein Mann ist Chauffeur und Alleinverdiener. Eine Kontrolle bei der Dentalhygienikerin? Unmöglich für uns!», erzählt die dreifache Mutter.

Ratenzahlung für gezogenen Zahn

Als Fidan vor einigen Jahren ein Zahn wackelte, musste sie notfallmässig zum Zahnarzt. Die Rechnung dafür konnte sie nur in Raten zahlen. «Der Zahnarzt hatte keine Freude, aber anders war es nicht möglich. Fünf Monate lang zahlte ich die Behandlung ab.»

Gehst du wegen Geldnöten nicht zum Zahnarzt?

Auch 20-Minuten-Leserin Lilly (26) müsste eigentlich zum Zahnarzt. «Ich weiss seit mehreren Jahren, dass meine Weisheitszähne rausmüssten. Aber mir fehlt das Geld dafür.» Lilly hat eine leitende Funktion in einem Logistikbetrieb und «einen anständigen Lohn. Aber ich hatte früher finanzielle Probleme und es wird nur langsam besser.» Doch die 2000-Franken-Behandlung sei momentan nicht möglich. Also hält Lilly die Schmerzen aus.

Angst vor Folgekosten

Kevin (33) arbeitet in der IT. Sein Lohn reiche zum Leben, doch nach Steuern, Miete und Alimente sei nicht mehr viel übrig. «Ich hatte auch schon Zahnschmerzen und ging nicht zum Zahnarzt, sondern wartete, bis sie verschwanden.» Er habe Angst vor Folgekosten, sollte er doch mal einen Zahnarzt aufsuchen. «Und ganz ehrlich: Es ist einfach zu teuer in der Schweiz. Das Geld reut mich.»

Nun handelt die Politik

Dass dies keine Einzelfälle sind, zeigt die jüngste International Health Policy Survey: Darin gaben 20,7 Prozent der Schweizer Bevölkerung an, dass sie aus Geldgründen auf zahnärztliche Untersuchungen verzichten (siehe unten).

Für Grünen-Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber ist das ein untragbarer Zustand. Mit einem Vorstoss verlangt die Zürcher Nationalrätin, dass die Kosten für notwendige zahnärztliche Behandlungen wie auch regelmässige Kontrollen und Dentalhygiene über Bundesmittel von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen werden.

Zur Studie

«Die Volksgesundheit steht auf dem Spiel», sagt Prelicz-Huber. Denn: «Unbehandelte Zahnprobleme können sich auf die Gesundheit auswirken und bis zu Kreislaufproblemen oder Herzinfarkten führen.»

Für die FDP-Nationalrätin Regine Sauter ist eine Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen der falsche Ansatz. «Das hätte einen enormen Kostenschub und damit weitere Prämiensteigerungen zur Folge.» Schon heute sei es so, dass die Sozialhilfe die Kosten übernehme, wenn jemand erwiesenermassen eine Zahnbehandlung nicht zahlen könne. «Das Giesskannenprinzip macht keinen Sinn. Die Allgemeinheit sollte nicht für Leute aufkommen, die es gar nicht brauchen. Wenn die Krankenkasse alles übernimmt, besteht die Gefahr, dass es zu einer Ausweitung der Leistungen kommt.» 

«Finanzielle Härten werden abgefedert»

Hendrik Meyer-Lückel, Direktor der Klinik für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin der Universität Bern, betont zwar, dass eine ausreichende Mundhygiene ein wichtiger Faktor für die Zahn- und Mundgesundheit sei. «Hierdurch werden die Lebensqualität und die Mundgesundheit gesteigert.» Er sagt aber auch: «Direkte Auswirkungen auf allgemeine Erkrankungen stehen eher nicht im Vordergrund.» 

Meyer-Lückel sieht deshalb keine Notwendigkeit, dass die Grundversicherung die Kosten für Zahnbehandlungen übernimmt: «Die Kosten sind sicher ein Grund, wenn sich Menschen gegen eine Zahnbehandlung entscheiden. Gleichwohl werden durch die verschiedenen Versicherungsträger und Sozialdienste finanzielle Härten sehr gut abgefedert.»

Das sagen die Krankenkassen

Eine Umfrage von 20 Minuten bei vier grossen Krankenkassen ergab ein einstimmiges Bild: Die Krankenkassen waren entweder klar gegen den Vorstoss von Prelicz-Huber oder sie verwiesen darauf, dass es sich um eine politische Diskussion handle und sie darum keine Stellung beziehen. Eine Zunahme von Zahnversicherungen stellte lediglich die CSS fest: Diese hätten um zwei bis drei Prozent zugenommen. Alle anderen angefragten Krankenkassen können keine Zunahme feststellen. 

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