Tödliche EnergiegewinnungJedes Windrad tötet im Schnitt 21 Vögel pro Jahr
Erstmals wurde untersucht, wie gefährlich Windräder für Vögel tatsächlich sind. Und welche Vogelarten am meisten betroffen sind.
- von
- rub

Eine Naturschutzorganisation plädiert für eine sorgfältigere Auswahl der Standorte: Windanlage, hier die höchste Europas auf dem Nufenenpass VS. (18. August 2016)
Ein Kritikpunkt an der Windenergie ist, dass Vögel mit den Anlagen kollidieren. Eine Studie zeigt nun erstmals die Anzahl durch Kollision verendeter Vögel in Zusammenhang mit der Intensität des Vogelzugs. Mit 20,7 Vogelopfern pro Anlage liegt die Rate höher als bisher geschätzt.
Um Zugvögel zu schützen und die Anzahl Kollisionsopfer an Windenergieanlagen zu reduzieren, wird diskutiert, die Anlagen während Zeiten mit intensivem Vogelzug abzustellen. Dafür müsse aber der Zusammenhang zwischen der Intensität des Vogelzugs und der Anzahl kollisionsgefährdeter Vögel besser bekannt sein, schrieb das Bundesamt für Energie (BFE) in einer Mitteilung vom Montag.
Wert liegt höher als bisher angenommen
Das BFE hat daher die Vogelwarte Sempach mit einer Studie zu diesem Zusammenhang beauftragt, deren Ergebnisse am Montag veröffentlicht wurden. Dazu wurde zwischen Ende Februar und Mitte November 2015 am Standort Le Peuchapatte in der Gemeinde Muriaux JU der Vogelzug per Radarmessung kontinuierlich erfasst und die Umgebung der drei dort stehenden Windenergieanlagen regelmässig nach Überresten von Vögeln abgesucht.
Pro Anlagen errechneten Experten 976 theoretisch kollisionsgefährdete Vögel, von denen im Median 20,7 verunfallten. Selbst der errechnete Minimalwert von 14,3 Schlagopfern pro Windanlage pro Jahr liege noch deutlich höher als die 10 Vogelopfer, die im Zuge der Diskussion um Gegenmassnahmen wie das zeitweise Abstellen genannt werden, hiess es im Bericht.
Kleine Vogelarten stark betroffen
Betroffen waren vor allem nachtziehende Kleinvogelarten, darunter beispielsweise Goldhähnchen, die kleinste europäische Vogelart. Bisher galten besonders grössere Vogelarten wie Greifvögel als gefährdet, allerdings machten diese am untersuchten Standort nur einen kleinen Teil der vorbeiziehenden Vögel aus.
Die meisten Unfälle passierten während der Zugzeit im Frühjahr und Herbst, eine Zuordnung zu bestimmten Zeitfenstern mit hoher Zugintensität sei aber schwierig, heiss es im Bericht. Die Zugintensität wurde zwar kontinuierlich gemessen, aber der Umkreis der Windanlagen nur alle zwei bis sieben Tage abgesucht.
Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Kollisionen und einer hohen Zugintensität auf der Höhe der Windräder (in diesem Fall 150 Meter) schien jedoch nicht zu bestehen, schlussfolgern die Experten. Vielmehr spielen wohl auch die witterungsbedingten Sichtverhältnisse eine Rolle. Der Zusammenhang sei also komplexer als bisher angenommen.
Die Ergebnisse aus der untersuchten Region im Jura liessen sich auf topographisch ähnliche Gebiete übertragen, nicht jedoch auf alpine Standorte und solche im Mittelland, hiess es in der Mitteilung. Auch für andere, höhere Windenergieanlagen müsse es zusätzliche Studien geben, da sie weiter in den Flughöhenbereich der Zugvögel hineinragen.
Sorgfältigere Standortwahl
Die Naturschutzorganisation BirdLife Schweiz plädiert angesichts der Studienergebnisse für eine sorgfältigere Auswahl der Standorte für Windenergieanlagen. Am untersuchten Standort Le Peuchapatte seien die Windanlagen parallel zur Zugrichtung ausgerichtet, was Kollisionen vermeiden helfe, und die Topographie erlaube den Vögeln, die Anlagen leicht zu umfliegen. Dennoch liege die Anzahl Opfer viel höher als bisher angenommen.
Der Schaden für Zug- und auch Brutvögel liesse sich nur abwenden, wenn auf den Bau von Windanlagen in naturnahen Gebieten verzichtet werde. Ein zeitweises Abschalten bei starkem Vogelzug könne das Kollisionsrisiko eben nur für Zugvögel vermindern, die in Schwärmen ziehen, und nicht für Brutvögel. (rub/sda)