Bristen: «Jetzt geniesse ich halt das Dorfleben»

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Bristen«Jetzt geniesse ich halt das Dorfleben»

Die Bristner sind wochenlang von der Aussenwelt abgeschnitten. Die Bewohner stecken aber nicht den Kopf in den Sand. Ganz im Gegenteil.

von
Noah Knüsel

Nehmen Sie mit 20 Minuten einen Augenschein in Bristen. (Video: nk)

Der Pfad ist steil und matschig. Das ist der Arbeitsweg vieler Bristner in nächster Zeit. Denn: Die einzige Zufahrtsstrasse zum Dorf ist abgerutscht und voraussichtlich mehrere Wochen unpassierbar. Über einen Wanderweg gelangt man von Amsteg aus in rund 20 Minuten an die Hauptstrasse oberhalb der verschütteten Zone. Von dort gibt es einen Shuttledienst nach Bristen hinein.

Oben im Dorf bietet sich auf den ersten Blick ein tristes Bild: Die Beiz ist leer, die Autos der Bewohner stehen in einer langen Reihe an der Strasse kurz vor dem Dorfrand. In der Dorfbeiz, dem Gasthaus Alpenblick, ist tote Hose. Die Medienvertreter sind beim Mittagessen gegenüber den Einheimischen in der Überzahl.

Laut Wirtin Katrin Gnos (25) ist das nichts Spezielles für diese Jahreszeit: «In dieser Saison haben wir generell nicht viele Gäste. Und die Einheimischen, die immer kommen, sind ja immer noch da.» Es wäre sicher etwas anderes, wenn die Strasse im Sommer verschüttet worden wäre.

«Wir hatten bisher immer Glück»

In so einem Dorf lebe man mit der Natur, man arrangiere sich, so Gnos. «Ich bekomme viele Nachrichten von Freunden im Unterland, dass wir ja jetzt abgeschnitten seien und von wegen Zwangsferien und so.» Da merke man schon ein Stück weit: «Die haben keine Ahnung.» Für die junge Wirtin ist aber das Wichtigste, dass niemandem etwas passiert ist: «Das ist ja nicht zum ersten Mal geschehen, und wir hatten immer grosses Glück.» Diesmal sei ein Auto zwischenzeitlich auf der Strasse eingeschlossen worden – oben rutsche die Strasse weg, unten knallte das Geröll auf den Asphalt. «Da ging es um Sekunden», so Gnos. «Etwas früher, und sie wären verschüttet worden.» Seit Dienstag ist auch der Zivilschutz bei den Aufräumarbeiten im Einsatz.

Erste Lebensmittellieferung am Mittwoch per Helikopter

Die aktuelle Situation hat das Dorfleben entschleunigt. «Noch mehr entschleunigt», wie eine junge Mutter im Dorf lächelnd sagt. Aber was wolle man machen, «mit den kleinen Kindern kann man ja nicht einfach so hoch- und runterlaufen. Also geniesse ich hier das Dorfleben». Sagts und macht sich auf zum Einkaufen, die Kinder spielen weiter Fangis im Schnee.

Im Dorfladen genehmigt sich Geschäftsführerin Heidi von Büren gerade einen Kaffee mit Katrin Gnos. Von Hamsterkäufen weiss von Büren nichts: «Die Bristner haben Vorräte zu Hause.» Am Mittwoch komme eine erste Lebensmittellieferung per Helikopter. Weil man gewusst habe, dass am Dienstag kein Flugwetter sei, habe man gar nicht erst bestellt. «Das Wichtigste war das frische Brot am Dienstagmorgen», so von Büren. Es sei von der Bäckerei im Tal hochgetragen worden. Die Verkäuferin weiter: «Sich organisieren und einander helfen ist nicht das Problem in so einem Dorf.» Es sei ja auch nicht das erste Mal, dass so etwas vorkomme.

Maschinenbauer Matthias Marte aus Innsbruck, derzeit in Bristen beruflich beschäftigt, kam am Montagabend aus dem Wochenende aus seiner Heimat zurück. Der 24-Jährige gibt sich pragmatisch: «Ich musste halt einmal hinauflaufen mit meinem Gepäck, aber jetzt übernachte ich ja im Alpenblick.»

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