Nach Abtreibungsverbot: Jetzt nehmen US-Konservative Verhütung und Rassentrennung ins Visier

Aktualisiert

Nach AbtreibungsverbotJetzt nehmen US-Konservative Verhütung und Rassentrennung ins Visier

Abtreibungen sind künftig in vielen US-Staaten verboten. Die USA würden damit um Jahrzehnte zurückgeworfen, sagt ein Politologe. Doch Konservative wollen noch weitergehen.

von
Claudia Blumer
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Der Supreme Court, das höchste Gericht in den USA, hat am Freitag, 24. Juni, das lange erwartete Urteil gefällt und das Recht auf Abtreibung ausgehebelt.

Der Supreme Court, das höchste Gericht in den USA, hat am Freitag, 24. Juni, das lange erwartete Urteil gefällt und das Recht auf Abtreibung ausgehebelt.

AFP
Dieser gesellschaftspolitische Rückschlag geht einigen Konservativen zu wenig weit. So regt der republikanische Senator John Cornyn auf Twitter an, auch das Verbot von Rassentrennung anzugehen.

Dieser gesellschaftspolitische Rückschlag geht einigen Konservativen zu wenig weit. So regt der republikanische Senator John Cornyn auf Twitter an, auch das Verbot von Rassentrennung anzugehen.

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Und der konservative Richter Clarence Thomas schreibt in einem von seinen Richterkollegen abweichenden Kommentar, auch die Homosexuellen-Rechte und das Recht auf Verhütung müssten neu geregelt werden.

Und der konservative Richter Clarence Thomas schreibt in einem von seinen Richterkollegen abweichenden Kommentar, auch die Homosexuellen-Rechte und das Recht auf Verhütung müssten neu geregelt werden.

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Darum gehts

Das lange erwartete Urteil ist gefallen. Der Oberste Gerichtshof der USA hat am Freitag das landesweite Recht auf Abtreibung abgeschafft. Damit können Bundesstaaten Abtreibungen entweder verbieten oder erlauben. Ein rundes Dutzend US-Staaten haben sie daraufhin unverzüglich verboten – mit Gesetzen, die bereits beschlossen worden waren. Weitere Staaten werden nachziehen. Insgesamt wird erwartet, dass rund die Hälfte der Bundesstaaten in den USA Abtreibungen künftig ganz verbietet (siehe Box).

Doch manche Konservative wollen weitergehen und etwa auch das Recht auf Verhütung, auf gleichgeschlechtliche Ehe und Sexualität gerichtlich überprüfen lassen. So twitterte der republikanische Senator John Cornyn, man solle nun auch «Plessy vs Ferguson und Brown vs Board of Education» anschauen, Beschlüsse gegen die Rassentrennung im öffentlichen Raum.

Und der konservative Richter Clarence Thomas schrieb in einer Minderheitenposition, auch weitere «Irrtümer» wie Verhütung in der Ehe, gleichgeschlechtliche Ehe oder die sexuelle Orientierung gerichtlich überprüfen zu wollen.

«Es sieht nach Umsetzung der Trump-Politik aus»

Alexander H. Trechsel, Politologe an der Universität Luzern und USA-Kenner, rechnet damit, dass es zu weiteren sehr konservativen Beschlüssen des Supreme Court kommen wird. In den nächsten Jahren könne man nicht sehr progressive Urteile erwarten. Zwar würde der Oberste Gerichtshof beziehungsweise würden die Bundesstaaten nicht so weit gehen und die Rassentrennung in den USA wieder einführen. «Entscheide, die dermassen gegen die Menschenwürde gehen, erwarte ich nicht. Zumal das Thema Rasse in den USA das ungelöste Problem Nummer 1 ist.» Doch betreffend Homosexualität und die Rechte der LGBTQI-Community könnte es durchaus Einschränkungen geben, sagt Trechsel.

Genau diese Themen hätten Donald Trump unter anderem 2016 an die Macht verholfen, und seine Politik werde nun mit etwas Verzögerung umgesetzt, sagt Trechsel. «Die Richter am Obersten Gerichtshof sind auf Lebzeiten gewählt, und sie haben politische Haltungen, auch die Konservativen. Sie werden versuchen, ihre Ziele zu erreichen, und wo der Supreme Court zuständig ist, werden sie entsprechend entscheiden.»

Abtreibungsgegner weltweit könnten motiviert werden

Politologe Louis Perron sagt: «Die Zeiten, in denen der Supreme Court versucht hat, unparteiisch Gesetze zu analysieren, sind offensichtlich vorbei. Das Gericht ist sehr politisch geworden. Und es gibt Dinge, welche die Konservativen schon immer umsetzen wollten. Logischerweise werden es die konservativen Richter nun versuchen.» Dieser Entscheid werfe die USA gesellschaftspolitisch um Jahrzehnte zurück, sagt Perron.

Dies könnte über die USA hinaus Wirkungen haben und Abtreibungsgegner weltweit motivieren, auch in der Schweiz. «Ich könnte mir vorstellen, dass sich Abtreibungsgegner auch bei uns bestärkt fühlen durch den Entscheid des US-Gerichtshofs», sagt Perron, der in Washington D. C. studiert hat. Doch man dürfe nicht vergessen, dass die politische Konstellation in den USA speziell sei mit dem Präsidenten, der selbst ohne Volksmehrheit gewählt werde und dann Richter auf Lebenszeit installieren könne, wie das bei Donald Trump geschehen ist. «Ich denke nicht, dass es den konservativen Kräften in der Schweiz gelingen wird, das Abtreibungsrecht einzuschränken. Aber auch bei uns gibt es einen Marsch für das Leben und Leute, die gesellschaftspolitische Fragen anders sehen, als Werbung und Medien es vermuten lassen würden.»

Wirkungsvoller als gegen den Abtreibungsentscheid des Supreme Court zu protestieren, sei es, wenn die Wählenden in den USA im Herbst zur Urne gingen, sagt Louis Perron. «Zwei demokratische Senatoren mehr würden genügen, damit das Parlament die Abtreibungsrechte landesweit in einem Gesetz regeln könnte.»

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