Nach Gsoa-Niederlage: Jetzt wird um den Zivildienst gestritten

Aktualisiert

Nach Gsoa-NiederlageJetzt wird um den Zivildienst gestritten

Eine kürzere Dauer des Zivildiensts oder Wehrpflicht für Frauen und Ausländer? Nach dem Nein zur Wehrpflicht-Initiative sind Politiker und Armeeangehörige in Reformlaune.

von
J. Büchi
Geht es nach der Gsoa, soll der Zivildienst dem Militärdienst gleichgestellt werden.

Geht es nach der Gsoa, soll der Zivildienst dem Militärdienst gleichgestellt werden.

Für die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa) ist es ein herber Rückschlag: Nur gerade 26,8 Prozent der Stimmbürger stimmten der Initiative zur Abschaffung der Wehrpflicht zu – bei der ersten Abschaffungs-Initiative 1989 waren es noch 35,6 Prozent. Trotz des deutlichen Verdikts sind die Verlierer der Abstimmung überzeugt: Jetzt kommt erst richtig Bewegung in die Armeefrage.

«Der Gewinner der Abstimmung heisst Zivildienst», stellt Gsoa-Sprecher Niklai Prawdzic fest. Als die Gsoa die Wehrpflicht-Initiative lanciert habe, habe der Zivildienst noch stark unter Druck gestanden. Während des Abstimmungskampfs hätten nun aber viele bürgerliche Politiker dessen Wichtigkeit herausgestrichen. «Wir werden diese Parlamentarier beim Wort nehmen und uns für eine Stärkung des Zivildienstes einsetzen», so Prawdzic. Er hofft, dass das Wehrpflichtsystem nun auf parlamentarischem Weg reformiert wird.

Ins selbe Horn stösst Juso-Chef David Roth. «Es hat ein Umdenken stattgefunden», frohlockt er. Die Mentalität gehe ganz klar weg von Forderungen nach einer Gewissensprüfung oder einer längeren Dauer des Zivildienstes. Die Bevölkerung und die Politik hätten die Wichtigkeit dieser Institution erkannt. «Nun ist die Zeit gekommen, um den Zivildienst dem Militärdienst gleichzustellen.» Es könne nicht sein, dass Zivildienstleistende weiterhin 50 Prozent mehr Diensttage leisten müssen als Armeeangehörige.

Bürgerliche und Armee für Reformen

Eine der Politikerinnen, die Prawdizic und Roth beim Wort nehmen wollen, ist die Aargauer FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger: Hatte sie sich 2009 in einer Motion noch für eine längere Dauer des Zivildienstes ausgesprochen, betonte sie in den letzten Wochen und Monaten wiederholt dessen Wichtigkeit für die Schweiz. Eine Gleichstellung mit dem Militärdienst kommt für die Freisinnige aber dennoch nicht in Frage: «Sonst haben wir wieder das Problem, dass sich zu wenig Leute fürs Militär melden. Das kann nicht Sinn der Sache sein.» Doch auch Eichenberger ist der Meinung, dass nach dem Nein zur Gsoa-Initiative über mögliche Reformen der Armee diskutiert werden muss. «Allenfalls muss man die Rekrutierungs- und Tauglichkeitskriterien überdenken.»

Auch anderweitig scheint die Bereitschaft für eine Modernisierung der Wehrpflicht gross – selbst in den Reihen der Armee: «Wir müssen uns fragen, ob der Militärdienst auch für Frauen oder Ausländer zugänglich gemacht werden soll», sagt Denis Froidevoix, Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft. Auch die Aufgabenbereiche des Militärs sollen nach seinem Willen neu definiert werden: So könnte die Armee beispielsweise «im Gesundheitswesen, beim Umweltschutz oder bei der Feuerwehr» Aufgaben übernehmen.

Mit der «Weiterentwicklung der Armee» befasst sich auch ein Bericht des Bundesrates, der derzeit in der Vernehmlassung ist. Auch dieser sieht vor, dass in Zukunft vermehr zivile Behörden unterstützt werden sollen. Zu diesen Aufgaben zählen etwa die Katastrophenhilfe oder Sicherungseinsätze, aber auch der Schutz vor Cybereinsätzen und die Bewältigung von dessen Folgen.

«Da hat das Militär nichts zu suchen»

Die Gsoa begrüsst es zwar, dass die Zuständigkeitsbereiche der Armee überdacht werden sollen. Gsoa-Sprecher Prawdzic warnt aber: «Der Armee-Apparat ist so gross, dass man nun beginnt, für die Soldaten neue Aufgaben zu suchen – beispielsweise in der inneren Sicherheit. Da hat das Militär aber nichts zu suchen.»

Juso-Präsident David Roth betont ebenfalls, das Militär dürfe keine polizeilichen Aufgaben übernehmen. Auch die Bekämpfung von Cyber-Kriminalität sei nicht Sache des Militärs: «Das ist eine Milizarmee und keine professionelle IT-Truppe.»

Gar keine Freude an den neuen Forderungen der Armeegegner hat Hermann Suter von der Gruppe Giardino, die sich «für eine starke Schweizer Milizarmee» einsetzt. Zwar spricht auch er sich dafür aus, dass nun Reformen an die Hand genommen werden – diese sollen aber zum Aufbau einer grösseren und schlagkräftigeren Armee führen. «Es muss gewährleistet werden, dass die Armee ihren verfassungsmässigen Auftrag, das Land gegen innen und aussen zu verteidigen, wieder erfüllen kann.» Dafür brauche es mindestens 120'000 Kampfsoldaten. «Jetzt geht der Kampf erst richtig los», sagt Suter in Hinblick auf die bevorstehende Debatte um die richtige Grösse der Armee.

Wegweisende Gripen-Debatte

Einig sind sich die verschiedenen Lager an diesem Sonntag nur in einem: Eine Berufsarmee kommt für sie alle nicht in Frage. «Das passt einfach nicht zur Schweiz», ist das Echo. Die Übereinstimmung in diesem Punkt ist für Politologe Georg Lutz typisch schweizerisch: «Der Milizgedanke ist weit verbreitet, fast schon ein Glaubensbekenntnis.»

Wie gross die Chancen sind, dass eine der anderen Forderungen umgesetzt wird, sei im Moment noch schwierig abzuschätzen: «Es gehört inzwischen zum Spiel, dass man den Abstimmungssonntag dazu nutzt, alle möglichen und unmöglichen Forderungen zu stellen.» Die nächste konkrete Armee-Debatte sei die um den Kampfjet Gripen. «Dann wird sich zeigen, ob die Schweizer und Schweizerinnen bereit sind, so viel Geld ins Militär zu investieren.»

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