ZürichJugendgang macht Seebach unsicher – «die älteren Leute fürchten sich»
Jugendgruppen pöbeln in Seebach regelmässig Anwohnerinnen und Anwohner an. Verschiedene Personen berichten, dass sie sich im Quartier nicht mehr sicher fühlen.
- von
- Daniel Krähenbühl
- Anna Ehrensberger
- Erika Unternährer
Darum gehts
In Seebach kam es Ende 2022 zu einem Polizeieinsatz, nachdem Jugendliche versuchten, eine Person auszurauben.
Laut eines Anwohners ist diese Jugendgruppe im Quartier bekannt – weil sie Angst und Schrecken verbreitet.
Anwohnerinnen und Anwohner berichten von Jugendgruppen, welche sich an Spielplätzen und ÖV-Haltestellen versammeln und Passantinnen und Passanten bei Konfrontation einschüchtern.
Mehrere Dutzend Jugendliche zwängen sich in Seebach in den Quartierbus mit der Nummer 40, pöbeln herum und beleidigen Passagiere. Zwei Haltestellen später steigt die lärmende Gruppe aus, rennt durch eine Quartierstrasse und versucht dort, eine Person auszurauben – dann kommt die Polizei: So beschreibt ein 68-jähriger Pensionär die Szenen, die sich am 30. Dezember vor seinen Augen in seinem Quartier abspielten. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen – zu gross ist die Angst vor Repressionen der Jugendlichen.
Obwohl die Gruppe grösstenteils aus erst 13- und 14-jährigen Jugendlichen besteht, müsse man sich in der Nachbarschaft vor ihnen in Acht nehmen, so der Senior. «Wenn man an ihnen vorbeigeht und versucht, sie in die Schranken zu weisen, werden sie sofort sehr aggressiv.» Für die meisten Leute an seinem Wohnort sei klar, dass man diese Jugendlichen nicht «falsch» oder zu lange anschauen und ihnen nicht in die Quere kommen dürfe. «Es ist eine regelrechte Rudelbildung. Die älteren Leute im Quartier fürchten sich vor den Kindern.»
«Ich werde wohl in ein sichereres Quartier ziehen»
Beim Vorfall am 30. Dezember habe es sich nicht um den ersten gehandelt, so der Leser. «In den letzten Jahren hat die Respektlosigkeit und Gewalt hier markant zugenommen.» Weil er teilweise versuche, die jungen Männer auf gewisse Regeln hinzuweisen, werde er regelmässig beleidigt und bedroht. «Ich gehe jeden Vormittag um mein Auto herum, um zu sehen, wie viel neue Kratzer hinzugekommen sind.» Er wohne seit über 20 Jahren in Seebach, doch nun habe das Sicherheitsgefühl – auch aufgrund abgebauter Polizeiposten in der Gegend – stark abgenommen. «Ich habe meinen Kindern gesagt, sie sollen nicht wieder zurück nach Seebach ziehen. Und ich werde wohl demnächst wegziehen – in ein sichereres Quartier.»
Ein Augenschein im Quartier zeigt, dass der Rentner mit seinem mulmigen Gefühl nicht alleine ist. So sagt die 80-jährige C.G.* gegenüber 20 Minuten: «Ich bin im Bus immer auf der Hut und achte darauf, wer mit mir bei meiner Haltestelle aussteigt.» So würde sie es meiden, alleine mit einer Gruppe Jugendlicher aus dem Bus zu steigen. «Ich fühle mich dabei einfach unwohl, besonders abends.»
«Der Beifahrer richtete eine Pistole auf mich»
Wenn sie zu später Stunde alleine durch ihr Wohnquartier gehen muss, fühlt sich auch die 21-jährige A.B.* unwohl: «Auch wenn ich hier aufgewachsen bin, muss ich zugeben: In Seebach bewege ich mich ängstlicher durch die Strassen als in anderen Quartieren.» In ihrer ehemaligen Wohnüberbauung habe ein Nachbarsjunge gar einem Nachbarn den Kopf eingeschlagen. «Das war schon krass – und der Mann ist danach aus Angst weggezogen.»
In Erinnerung geblieben ist der 21-Jährigen auch eine Erfahrung von vor einigen Jahren: «Als an mir ein Auto vorbeifuhr und der Beifahrer mit einer Pistole auf mich zielte, erschrak ich sehr.» Wie sich später herausstellte, habe es sich bei der Aktion um einen makabren Scherz gehandelt: Die Pistole war eine Attrappe. «Solch einschüchternde Aktionen sind hier im Quartier normal.» B. will deshalb in Zukunft aus Seebach wegziehen: «Meine Kinder sollen mal an einem anderen Ort aufwachsen.»
Konfrontation meiden – aus Respekt vor Konsequenzen
Nicht ängstlich, aber mit Respekt begegnet der 72-jährige A.D.* Jugendlichen. Diese würden sich bei ÖV-Haltestellen, beim Gemeinschaftszentrum oder an Spielplätzen versammeln und die Plätze dort «verwahrlost» hinterlassen. «Manchmal möchte ich die Jungen zurechtweisen, tue es aber doch nie.» Er habe zu grossen Respekt vor möglichen verbalen oder physischen Konsequenzen. «Mir selbst ist noch nie etwas passiert, aber ich habe so manches schon mitbekommen – so auch den Polizeieinsatz am 30. Dezember.»
Die Stadtpolizei Zürich bestätigt auf Anfrage von 20 Minuten den Polizeieinsatz am Abend des 30. Dezembers. So sei eine Meldung eingegangen, dass mehrere Personen einen jungen Mann bedrohten. «Als die herbeigerufenen Polizisten vor Ort eintrafen, war jedoch nur noch das Opfer – eine jugendliche Person – vor Ort», sagt Sprecher Michael Walker. Die Polizei habe in der Sache Ermittlungen aufgenommen.
*Name der Redaktion bekannt
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