High und süchtigJunkies gibt es auch im Tierreich
Fliegenpilze, vergorene Früchte, Opium: Tiere fahren auf Drogen genauso ab wie Menschen. Ein Forscher erklärt nun, wieso Rentiere angeblich fliegen können.
- von
- Lorenz Hanselmann
Die Winter in Europas Norden sind lang und kalt. Nicht nur die Menschen berauschen sich in dieser Zeit mehr als sonst. Wie der Forscher Andrew Haynes im «Pharmaceutical Journal» schreibt, wollen auch Rentiere der Monotonie entfliehen – und gehen deshalb kilometerweit, um Fliegenpilze zu finden und zu fressen. Danach torkeln sie völlig zugedröhnt umher, zucken wild mit dem Kopf und geben komische Geräusche
von sich. «Sie haben ein Bedürfnis danach, andere Bewusstseinszustände zu erleben», so Haynes.
Rentiere sind aber bei weitem keine Ausnahme im Tierreich. Haynes schreibt von Vögeln, die vergorene Beeren essen und an Leberschäden sterben, oder von Schafen, die ihre Zähne beim Ausgraben und Fressen von giftigen Flechten bis aufs Zahnfleisch abnützen. In Indien sollen Elefanten sogar Alkoholläden geplündert und dann stockbesoffen in Dörfern randaliert haben. Denn die Wirkung der Rauschmittel ist bei Mensch und Tier ähnlich (siehe Box). Dasselbe gilt für das Suchtpotenzial: Aus Ostasien wird von opiumsüchtigen Wasserbüffeln berichtet, die nach der Mohnernte an Entzugserscheinungen leiden.
Einige Anthropologen glauben, dass der Mensch erst durch die Beobachtung der zugedröhnten Tiere selbst Drogen entdeckte. Rentierhirten trinken etwa seit Hunderten von Jahren den Urin ihrer Tiere, um high zu werden. Haynes: «Beim Menschen gehört das Gefühl zu fliegen zu den Nebenwirkungen der Pilze. Es ist interessant, dass die Legende besagt, dass die Rentiere von Santa Claus fliegen können.»
«Tiere werden high wie Menschen»
«Alle Tiere haben ähnliche Rezeptoren im Gehirn. Deshalb kann etwa ein Elefant genauso high werden wie ein Mensch und genauso süchtig», so Hanspeter Nägeli vom Institut für Veterinärpharmakologie und -toxikologie der Uni Zürich. Bei uns gebe es aber keine solchen Fälle: «Es gibt zwar Hunde, die Frostschutzmittel trinken oder Traubentrester fressen. Dies machen sie aber nicht wegen des Rauschs, sondern einfach, weil die Stoffe gut schmecken.»