Russischer Agentenring: Kalter Krieg statt Burger-Diplomatie?

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Russischer AgentenringKalter Krieg statt Burger-Diplomatie?

Kaum haben die USA und Russland ihr Verhältnis normalisiert, sorgt die Enttarnung eines Spionagerings für neue Spannungen. Ein Fall von Sabotage?

Peter Blunschi
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Peter Blunschi
Dmitri Medwedew und Barack Obama bei ihrem Treffen letzte Woche in Washington.

Dmitri Medwedew und Barack Obama bei ihrem Treffen letzte Woche in Washington.

Letzte Woche genehmigten sich US-Präsident Barack Obama und sein russischer Amtskollege Dmitri Medwedew in einem Vorort von Washington einen Cheeseburger. Die lockere Atmosphäre des Treffens sollte verdeutlichen, dass sich die jahrelang gespannten Beziehungen zwischen den beiden Ländern normalisiert haben.

Doch Obama wusste zu jenem Zeitpunkt bereits über den russischen Agentenring Bescheid, der kurz darauf zerschlagen wurde. Das erklärte der Sprecher des Weissen Hauses, Robert Gibbs, am Dienstag. Die beiden Staatsoberhäupter hätten nicht über den Fall gesprochen. Die Ermittler hätten «vollkommen angemessen» gehandelt, sagte Gibbs, die Festnahme der mutmasslichen Spione werde die Beziehungen zu Russland aber nicht beeinträchtigen.

Putin ist sauer

Die ersten Reaktionen aus Moskau fielen allerdings geharnischt aus. Ministerpräsident Wladimir Putin kritisierte das Verhalten der US-Behörden scharf. Die Bundespolizei FBI habe sich «gehen lassen», sagte der ehemalige KGB-Agent. «Die stecken einfach Leute ins Gefängnis», schimpfte der Premier bei einem Treffen mit dem früheren US-Präsidenten Bill Clinton. Putin schloss einen Rückschlag im zuletzt positiven bilateralen Verhältnis nicht aus.

Das Aussenministerium in Moskau bestätigte, dass unter den Festgenommenen russische Staatsbürger sind. «Sie haben keine Handlungen begangen, die sich gegen die Interessen der USA richten», teilte das Ministerium am Abend mit. Tatsächlich gibt es keine Anzeichen, dass die vermeintlichen «Agenten» an brisante Informationen herangekommen sind. Sie sollen sich bereits seit rund zehn Jahren auf dem Radar des FBI befunden haben.

Zeitpunkt der Festnahme erstaunt

Umso mehr erstaunt der Zeitpunkt der Festnahme, über den Präsident Obama laut US-Medienberichten nicht glücklich ist. Laut dem FBI bestand in einzelnen Fällen Fluchtgefahr. Kommentatoren wittern jedoch einen Versuch, die Entspannung zwischen den beiden Staaten zu sabotieren, was Hardlinern auf beiden Seiten entgegenkäme. US-Republikaner kritisieren etwa den von Obama und Medwedew unterzeichneten Vertrag zur nuklearen Abrüstung, der noch vom Senat ratifiziert werden muss.

Insgesamt aber überwiegt die Ansicht, dass die beiden Staaten nicht an einem neuen Kalten Krieg interessiert sind. Die USA sind auf russische Hilfe etwa bei weiteren Schritten gegen das iranische Atomprogramm angewiesen. Russland wiederum «braucht Investitionen, Technologie und Knowhow aus dem Ausland, um sich aus der wirtschaftlichen Isolation zu befreien. Das versteht sogar Putin», sagte Robert Service, ein Russland-Experte am Hoover Institute, gegenüber «Politics Daily».

Chaotische Geheimdienste

Entscheidend ist die Frage, ob der Kreml über den Spionageskandal Bescheid wusste. Derartige Aktivitäten würden häufig auf mittlerer bis unterer Regierungsebene ausgeheckt, ohne dass die Leute ganz oben eine Ahnung davon hätten, erklären Experten. Robert Service verweist darauf, dass die russischen Geheimdienste «viel chaotischer und schwieriger zu kontrollieren sind als jene in westlichen, demokratischen Ländern». Man sollte «ihre Kompetenz nicht überschätzen».

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