StuttgartKampf um neuen Bahnhof spitzt sich zu
4,1 Milliarden Euro - so viel soll der Umbau des Stuttgarter Bahnhofs kosten. Nur: Die Bevölkerung will ihn nicht. Seit Wochen protestieren die Stuttgarter. Jetzt schlägt die Polizei Alarm.
- von
- ast

Modell des geplanten Durchgangsbahnhofs.
Demonstranten haben am Donnerstag die Abrissarbeiten am Stuttgarter Hauptbahnhof behindert. Sieben Aktivisten hielten das Dach des Nordflügels stundenlang besetzt, so dass die Arbeiten nicht fortgesetzt werden konnten, wie eine Polizeisprecherin auf Anfrage sagte. Spezialkräfte der Polizei holten die Besetzer am Donnerstagnachmittag vom Dach herunter.
Zudem versammelten sich rund 200 Demonstranten vor dem Gebäude, um erneut gegen das Projekt zu demonstrieren. Die Polizei und das Innenministerium beklagten die zunehmend unfriedlichen Aktionen. Die Proteste hätten ihren friedlichen Charakter verloren und die «Grenzen des zivilen Ungehorsams» überschritten, betonte Polizeipräsident Siegfried Stumpf. Es handle es sich um das «Gemeinwesen nachhaltig beeinträchtigende Straftaten». Wer Rettungskräfte blockiere, handle kriminell.
Auch der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech (CDU) betonte, dass die Demonstranten die Grenzen des demokratischen Protestes überschritten hätten. Die Gegner des Projekts sollten die demokratischen Entscheidungen akzeptieren und erkennen, dass ihr Protest viel zu spät komme und falsche Erwartungen wecke.
Aufgeben kommt für die Initiative Parkschützer aber nicht in Frage: «Wir fordern, dass Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer bis morgen bekannt gibt, dass das Bahnprojekt gestoppt wird», sagte der Sprecher der Stuttgart-21-Gegner, Matthias von Herrmann der Nachrichtenagentur DAPD. Auch für den Freitag seien weitere Demonstrationen und Kundgebungen geplant.
Teilweise massive Verkehrsbehinderungen durch Proteste
Am Mittwochabend demonstrierten erneut Tausende Menschen gegen den Beginn der Abrissarbeiten, die unter Polizeischutz am Nordflügel des Bahnhofs stattfanden, und sorgten für massive Verkehrsbehinderungen. Der Abriss des Nordflügels ist Teil der Bauarbeiten für das Projekt, das eine unterirdische Verlegung des Bahnhofs vorsieht.
Die Polizei sprach von 6000 Demonstranten, die Veranstalter gaben die Zahl mit 12 000 an. Sie behinderten laut Polizei einen Einsatz von Feuerwehr und Rettungskräfte. Ausserdem hätten rund 200 Aktivisten die Fahrbahnen an zentralen Verkehrspunkten in der Innenstadt blockiert.
Die Bauarbeiten am Bahnhof hatten vor 200 Tagen begonnen. Vor zwei Wochen starteten die Aussenabriss-Arbeiten. Der Kopfbahnhof der baden-württembergischen Hauptstadt soll in dem 4,1 Milliarden Euro teuren Bahnprojekt zu einer unterirdischen Durchgangsstation umgebaut und an die künftige Schnellbahntrasse nach Ulm angeschlossen werden.
Häuser, die in Kratern versinken
Die Kritik richtet sich unter anderem gegen die steigenden Kosten des Vorhabens. Befürchtet werden ausserdem negative Effekte auf die Umwelt und den Nahverkehr. Architekt Frei Otto, der das Mega-Projekt mitentworfen hat, stieg vor einem Jahr aus – wegen Sicherheitsbedenken. Laut einem Gutachten könnte wegen unterirdischer Hohlräume der Bahnhof «wie ein U-Boot aus dem Meer» aufsteigen oder für Überschwemmungen sorgen. In der Erde könnten sich unkontrollierbare Krater bilden, erklärte Otto. Und aus einem Gutachten wurde das Fazit gezogen, dass es «bei Stuttgart 21 nicht um mögliche Risse in Häusern geht, es geht um mögliche Krater, in denen Häuser verschwinden können. Es geht um Menschenleben.»
Bei einem Ausstieg würden 1,4 Milliarden Euro verloren gehen, warnen hingegen die Projektverantwortlichen. Ausserdem würden tausende Arbeitsplätze und Folgeinvestitionen im Umfang von mehreren Milliarden Euro wegfallen. Der Architekt von Stuttgart 21, Christoph Ingenhoven, wies die Forderung von Frei Otto nach einem Baustopp zurück. Die Aussagen seien «hoch fahrlässig» und «nah an der Panikmache», sagte er der «Rheinischen Post». Otto habe nicht alle wichtigen Informationen gehabt, um das beurteilen zu können. (ast/sda/dapd)