PresseratKarikatur mit Handy-Nummer ging zu weit
Der Schweizer Presserat rügt die «Schaffhauser Nachrichten»: Die Veröffentlichung der Handynummer von Juso-Chefin Tamara Funiciello verletze deren Privatsphäre.
- von
- daw
Der Schweizer Presserat hat entschieden, dass die Veröffentlichung der privaten Handynummer einer kritisierten Person den Schutz der Privatsphäre auch dann verletzt, wenn die Nummer sehr einfach eruiert werden kann. Eine Karikatur der «Schaffhauser Nachrichten» vom 18. August 2018 zeigte die Handynummer der Juso-Präsidentin Tamara Funiciello.
Dass diese Nummer sehr einfach zu finden ist, wie die Zeitung geltend machte, ändert laut dem Presserat nichts daran, dass für einen derart weitgehenden Schritt eine besondere Rechtfertigung gegeben sein müsste. Das sei hier nicht der Fall gewesen. In der Karikatur hatte Zeichner Pascal Coffez auf die Kritik Funiciellos angespielt, der Überhit «079» von Lo & Leduc sei sexistisch. Offenbar auf der Suche nach Liebe schreit sie in der Karikatur die beiden Berner an: «Meine Nummer lautet 079 *** ** **. (...) Also, warum ruft ihr mich nicht an», heisst es in der Sprechblase.
Barbusige Darstellung Funiciellos für den Presserat in Ordnung
Auf den zweiten Teil der Beschwerde trat der Presserat nicht ein. Dass die Kritisierte halbnackt und BH-schwingend karikiert wurde, beurteilt er nicht als diskriminierend. Der Grund: Funiciello habe sich, «mit absehbarer erheblicher medialer Wirkung, beim Verbrennen von BHs mit nacktem Oberkörper fotografieren lassen. Dieses von einigen Frauen bewusst gesetzte Bild aufzugreifen, kann nicht als pauschal gegen
Frauen gerichteter Akt kritisiert werden. Schon gar nicht, wenn es um Satire oder – wie hier – um eine Karikatur geht.» Die Juso-Präsidentin hatte im März 2017 mit einem Foto einer BH-Verbrennungsaktion für Schlagzeilen gesorgt.
«Zensur ist nicht Aufgabe des Presserates»
Als Reaktion auf die Karikatur kündigte Feministin Anna Rosenwasser, die während zehn Jahren Beiträge für die «Schaffhauser Nachrichten» verfasst hatte, ihre Zusammenarbeit mit der Zeitung auf. Mit der Stellungnahme des Presserates ist sie zufrieden: «Es zeigt, dass mit der Publikation der Handynummer eine Grenze überschritten wurde.» Dass der Presserat die Darstellung Funiciellos nicht gerügt habe, sei in Ordnung: «Eine Zensur ist nicht Aufgabe des Presserates. Satire soll auch angreifen dürfen. Die Karikatur ist einfach geschmacklos und wahnsinnig unoriginell, aber nicht verboten.»
Der Frauenstammtisch Schaffhausen, der die Karikatur ebenfalls scharf kritisiert hatte, bedauert hingegen, dass «die sexistische und verletzende Darstellung nicht als diskriminierend» beurteilt worden sei. Man habe sich ein mutigeres Urteil gewünscht, sagt Sprecherin Isabelle Lüthi. «Denn die Karikatur greift zahlreiche veraltete Stereotypen über Feministinnen auf. Etwa, dass sie hysterisch sind und notorisch ‹underfucked› seien und dass sich jede Frau im Grunde nach der Aufmerksamkeit von Männern sehne.»
Zeitung zufrieden mit dem Urteil
Robin Blanck, Chefredaktor der «Schaffhauser Nachrichten», ist glücklich, dass der Presserat nur die Publikation der Handynummer rügte, nicht aber die Darstellung Funiciellos: «Das Urteil des Presserates bestätigt, dass die publizierte Zeichnung – es ging um Kritik an der drohenden Einschränkung der Kunstfreiheit – nicht-diskriminierend war, sondern die Darstellung auf eine bekannten, konkreten und damit nicht pauschalisierenden Vorfall verweist. In dieser Einschätzung ist uns der Presserat gefolgt.»
Auf die Frage, ob man sich bei Funiciello für die Publikation der Handynummer entschuldigt habe, antwortet Blanck: «Die Nummer ist online publiziert und damit einer riesigen Zahl von Internet-Nutzern frei zugänglich.» Ein Verzicht auf die Publikation der Nummer hätte «der Gesamtaussage der Zeichnung aber keinen Abbruch getan». Funiciello selbst ist derzeit nicht zu erreichen.