Loja Dschirga: Karsai stellt Bedingungen für US-Präsenz

Aktualisiert

Loja DschirgaKarsai stellt Bedingungen für US-Präsenz

Auf der grossen Ratsversammlung in Kabul wird die strategische Zusammenarbeit zwischen den USA und Afghanistan diskutiert. Dabei steht eine allfällige Verlängerung der militärischen Aktivitäten im Vordergrund.

Afghanistans Präsident Hamid Karsai hat Bedingungen für eine US-Präsenz in Afghanistan nach 2014 gestellt. Das Land sei zwar auf Hilfe von aussen angewiesen, aber nur unter «bestimmten Bedingungen», sagte er am Mittwoch bei der traditionellen Stammesversammlung Loja Dschirga in Kabul. Die rund 2000 Delegierten sollen die vorgeschlagene strategische Partnerschaft mit den USA erörtern. Es geht um die Aufsicht über die US-Militärpräsenz angesichts des Truppenabzugs und um mögliche Friedensgespräche mit den radikalislamischen Taliban.

Die Beziehungen zu den USA sollten die zwischen «zwei unabhängigen Staaten» sein, forderte Karsai vor rund 2200 Stammesvertretern. «Wir wollen unsere Souveränität, und wir wollen sie heute.»

Dazu gehöre ein Ende der Hausdurchsuchungen und nächtlichen Einsätze gegen mutmassliche Taliban-Extremisten, sage Karsai. Die USA halten diese Angriffe für eine der wirkungsvollsten Massnahmen gegen Aufständische. Da jedoch auch immer wieder Zivilisten bei diesen Aktionen getötet werden, stossen sie in Afghanistan auf massive Kritik.

Auflösung internationaler Einrichtungen gefordert

Die etwa 100 000 US-Soldaten in Afghanistan operieren ohne jegliche bilaterale Übereinkunft, auch wenn die Mehrheit von ihnen unter UNO-Mandat steht. Die Dschirga könnte Karsai politischen Rückhalt für Gespräche über den Verbleib eines Teils der US-Truppen für ein weiteres Jahrzehnt verschaffen. Dagegen regt sich allerdings Widerstand im eigenen Volk und in der kriegsmüden US-Öffentlichkeit.

Karsai forderte zudem eine Auflösung internationaler Einrichtungen wie der Nationalen Wiederaufbauteams in Afghanistan. Würde Washington den Bedingungen zustimmen, so wäre laut Karsai die langfristige Präsenz von US-Soldaten in Afghanistan möglich.

Diese liege auch im Interesse der Afghanen, da durch Militäranlagen Geld fliesse und die afghanischen Sicherheitskräfte ausgebildet würden, so Karsai. Kabul verhandelt derzeit mit Washington über eine strategische Partnerschaft für die Zeit nach dem Abzug der NATO-Truppen 2014.

Taliban drohen mit Angriffen

Die Delegierten der Loja Dschirga sollen neben dem künftigen US- Engagement in Afghanistan auch über Friedensgespräche mit den Taliban beraten. Diese nehmen nicht an der Konferenz teil und drohten mit Angriffen.

Das Treffen findet daher unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Taliban werfen der Versammlung vor, lediglich die Einmischung des Auslands absegnen zu wollen. Friedensgespräche werde es erst geben, wenn alle ausländischen Truppen das Land verlassen hätten.

Kritik an Konferenz

Karsai hatte die mehrtägige Konferenz nach der Ermordung von Ex-Präsident Burhanuddin Rabbani Ende September einberufen. Kritiker bemängelten im Vorfeld, es mangle an einer klaren Absicht der Konferenz. Viele Delegierte wüssten nicht, worüber sie konkret diskutieren sollten und warum.

Es handle sich nur um ein beratendes Treffen, antwortete Karsai auf die Kritik. US-Vertreter hatten versichert, dass sie die Loja Dschirga ebenso unterstützen wie ihren Versuch sicherzustellen, dass Stammesführer eine Partnerschaftsvereinbarung annehmen.

Aufständische getötet

Im Osten Afghanistans wurden am Mittwoch 27 Aufständische von NATO-Truppen getötet. Sie hätten eine Patrouille angegriffen, worauf die Soldaten sofort reagierten, teilte ein ISAF-Sprecher mit.

Bei einem US-Drohnenangriff auf ein Taliban-Ausbildungslager in Pakistan nahe der afghanischen Grenze wurden nach Behördenangaben zudem bis zu 18 Taliban-Kämpfer getötet. (sda)

Loja Dschirga: Die Grosse Ratsversammlung

Die Loja Dschirga ist ein einzigartiges Forum zur Regelung bedeutender nationaler Angelegenheiten in Afghanistan. Nach Artikel 110 der Verfassung ist die Grosse Ratsversammlung «die höchste Manifestation des Willens des afghanischen Volkes».

Die Ratsversammlung wird «zur Beschlussfassung in Fragen der Unabhängigkeit, nationalen Souveränität, territorialen Integrität und der höchsten Interessen des Landes» vom Präsidenten einberufen.

Seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 wurde zwei Mal eine Loja Dschirga einberufen: Mitte 2002 bestätigte eine Ratsversammlung Hamid Karsai als Übergangspräsidenten. Anfang 2004 verabschiedete eine Loja Dschirga die heutige afghanische Verfassung.

Im vergangenen Jahr berief Karsai zudem eine «Friedens-Dschirga» ein (die nicht Loja Dschirga genannt wurde). Sie sprach sich dafür aus, Verhandlungen mit den Aufständischen in die Wege zu leiten. Ihre Beschlüsse waren nach Angaben der Regierung nicht bindend.

Die Ratsversammlung soll die afghanische Bevölkerung möglichst repräsentativ abbilden. Traditionell stellten Stammesälteste die Delegierten.

Erstmals trat eine Loja Dschirga 1747 unmittelbar nach der Gründung des Staates Afghanistan zusammen. Damals ernannten die Delegierten den Paschtunen Ahmed Schah Durrani zum ersten afghanischen König.

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