Hochpreisinsel Schweiz: «Kartelle haben heute ihre Pfründe verteidigt»

Aktualisiert

Hochpreisinsel Schweiz«Kartelle haben heute ihre Pfründe verteidigt»

Der Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz habe heute einen schweren Rückschlag erlitten, sagen Konsumentenschutz und SP. Alles halb so wild, erwidern Grüne und SVP.

Simon Hehli
von
Simon Hehli
SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer und der Freisinnige Fulvio Pelli kämpften heute gemeinsam dafür, dass sich der Nationalrat auf die Debatte über das neue Kartellgesetz einlässt. Es war vergeblich.

SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer und der Freisinnige Fulvio Pelli kämpften heute gemeinsam dafür, dass sich der Nationalrat auf die Debatte über das neue Kartellgesetz einlässt. Es war vergeblich.

Dass der Nationalrat das neue Kartellgesetz so gut wie versenkt hat, sorgt bei den Unterlegenen aus den Reihen von SP und FDP für Konsternation. SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer spricht von einer Diskussionsverweigerung, weil die grosse Kammer sich gar nicht erst auf die Debatte eingelassen hat. «Die Lobbys von Gewerkschaften und Gewerbe haben gut lobbyiert», meint sie gegenüber 20 Minuten lakonisch. «Die Kartelle haben ihre Pfründe verteidigt.»

Das Geschäft geht nun in den Ständerat zurück. Doch Leuteneggers Parteikollegin und Konsumentenschützerin Prisca Birrer Heimo ist sehr skeptisch, dass sich das Parlament noch zu einem Kompromiss zusammenraufen kann: «Der Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz hat heute einen empfindlichen Rückschlag erlitten.» Das Gesetz würde vorsehen, dass ausländische Firmen sanktioniert werden, die sich weigern, ihre Produkte zu einem fairen Preis in die Schweiz zu liefern.

«Schädlich für die Innovation»

Im Gegensatz zur SP trauert FDP-Nationalrat Ruedi Noser dem Abschnitt des Gesetzes zur Bekämpfung der Hochpreisinsel nicht nach: Dieser bringe wenig. Den Schweizer Konsumenten würde eine Abschaffung technischer Handelshemmnisse mehr bringen, so Noser: Ein Schweizer Unternehmen könnte dann zum Beispiel Sportschuhe direkt günstig in Deutschland einkaufen und so Preisaufschläge durch den Hersteller vermeiden.

Dennoch zeigt sich Noser, dessen Fraktion mehrheitlich für ein Eintreten auf das Gesetz stimmte, enttäuscht. Er spricht von einem Klüngel von Gewerbe und Gewerkschaften, die gemeinsam gegen mehr Wettbewerb kämpften. Sie verbinde ein Interesse, neue Konkurrenz gar nicht erst aufkommen zu lassen. «Das ist schädlich für die Innovation in unserem Land.»

Höhere oder tiefere Löhne?

SP-Frau Susanne Leutenegger Oberholzer nervt sich über die sechs Abweichler in den eigenen Reihen – und vor allem über die geschlossene Ablehnung des Gesetzes durch die Grünen. «Ich hoffe, dass sich die Konsumenten bei den Wahlen 2015 daran erinnern.» Der Luzerner Grüne Louis Schelbert hält solche Äusserungen für polemisch. «Das heutige Gesetz reicht, um gegen abzockende Firmen vorzugehen.» Schelbert verweist auf ein entsprechendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Dieses verhängte im Januar eine happige Busse gegen den Elmex-Hersteller, weil dieser Parallelimporte der Zahnpasta aus Österreich hintertrieben hatte.

Gewerkschafter Corrado Pardini gehörte zur SP-Minderheit, die gegen das Gesetz stimmte. Und zwar auch deshalb, weil er Druck auf Schweizer Saläre befürchtet. «Wir haben hier ein anderes Lohngefüge als in Deutschland. Wenn Discounter die Tiefpreise importieren, kommen bald auch die Tieflöhne.» Leutenegger Oberholzer wehrt sich gegen die Aussagen ihres Genossen. Es sei gerade umgekehrt: «Wenn der Detailhandel oder die Hotels Produkte billiger importieren können, bleibt mehr Geld für die Löhne übrig.»

«Ein Bumerang für den Export»

Auf der Siegerseite steht neben der BDP und einer Mehrheit von CVP und GLP auch die SVP, die sich geschlossen gegen das neue Gesetz aussprach. Der Baselbieter Nationalrat Caspar Baader findet, das bestehende Gesetz reiche aus, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Weil die Schweiz eine Hochlohninsel sei, müsse man damit leben, dass sie auch eine Hochpreisinsel sei. «Wem die importierten Markenartikel zu teuer sind, kann immer noch günstigere No-Name-Produkte kaufen.»

Das Gesetz wäre zu einem Bumerang für die Schweizer Exportwirtschaft geworden, so Baader. Er nennt das Beispiel einer Maschinenfirma. Diese differenziere ihre Preise je nach Bestimmungsland: «In Deutschland verlangt sie höhere Preise als in Griechenland.» Laut dem Juristen hätte das Gesetz dazu geführt, dass ein Schweizer Käufer der Maschinen darauf hätte pochen können, diese zum selben Preis wie in Griechenland zu erhalten. «Das wäre verheerend für den Export.»

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