Abhängig vom Handy: «Katzen können gegen Onlinesucht sinnvoll sein»

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Abhängig vom Handy«Katzen können gegen Onlinesucht sinnvoll sein»

Die meisten Jugendlichen hätten ihren Online-Konsum im Griff, sagt Medienpsychologe Daniel Süss. Eine wichtige Rolle spielten Tiere.

B. Zanni
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B. Zanni
Kümmerten sich Jugendliche um ein Tier, liessen sie sich von Likes viel weniger beeindrucken, sagt Medienpsychologe Daniel Süss.

Kümmerten sich Jugendliche um ein Tier, liessen sie sich von Likes viel weniger beeindrucken, sagt Medienpsychologe Daniel Süss.

Keystone/Christof Schuerpf

Herr Süss, ob im Zug, auf dem Pausenplatz oder im Ausgang – die meisten Jugendlichen lassen ihr Smartphone kaum aus den Augen. Laut dem «James Focus»-Bericht haben aber vier Fünftel der Jugendlichen ihr Onlineverhalten im Griff. Überrascht Sie das?

Nein. Denn die meisten Jugendlichen können ihr Online-Verhalten kontrollieren. Wenn sie sich im Zug oder auf dem Pausenplatz mit dem Handy beschäftigen, sind dies lediglich Gewohnheiten, mit denen sie Warte- oder Reisezeiten überbrücken. Früher hatten viele junge Leute einen Walkman in den Ohren oder lasen ein Buch, deswegen galten sie aber auch nicht als musik- oder büchersüchtig.

Ist man süchtig, wenn man in der Freizeit täglich mehrere Stunden online ist?

Entscheidend ist nicht, wie viel Zeit man im Internet verbringt, sondern ob man dabei noch das Gefühl von Kontrolle hat. Auch sollte man noch an etwas anderes denken können als ans Internet.

Man hat sich schon lange vorgenommen, ein Buch zu lesen, bleibt aber immer wieder am Handy oder Computer hängen. Sollte man sich da Sorgen machen?

Dieses digitale Hinausschieben ist ein erstes Anzeichen für ein Suchtverhalten. Deshalb sollte man gezielt offline gehen. Am einfachsten funktioniert dies, indem man sich im Tages- oder Wochenablauf Zeiten einplant, zu denen man sich etwas ganz anderem widmet, das einem Spass bereitet.

Gelingt dies Jugendlichen nicht, droht der digitale Absturz in die Sucht?

Nein. Das soziale Umfeld spielt eine grosse Rolle. Wir sahen, dass die süchtigen Jugendlichen häufiger Cybermobbing erlebten. Dies führt dazu, dass sie ständig online sein wollen, um zu kontrollieren, ob etwas Negatives gepostet wird. Andere Jugendliche mit problematischem Onlineverhalten erhalten in der Familie wenig Anerkennung und Aufmerksamkeit oder erleben in der Schule oft Misserfolge. Dadurch lenken sie sich mit Games und in den sozialen Medien ab. Dabei werden die Likes und die Erfolge im Spiel unverhältnismässig wichtig. Wer sozial unsicher ist, hat auch ständig das Gefühl, zu verpassen, dass sich Freunde verabreden oder etwas Wichtiges posten.

In welchem Zustand befinden sie sich dann?

Onlinesüchtige Jugendliche haben keine Interessen mehr an anderen Aktivitäten, sie täuschen Familienangehörige, indem sie den Internetkonsum verstecken, schlafen zu wenig und sie nehmen schlechte Leistungen in Schule und Ausbildung in Kauf. Manche werden sogar depressiv.

Laut Ihrem Bericht können Haustiere vor einem problematischen Onlineverhalten schützen. Sollen Eltern ihren Kindern also präventiv einen Hund oder eine Katze schenken?

Das kann sinnvoll sein, aber nur, wenn es vom Kind auch gewünscht wird. Kümmern sich Jugendliche um ein Tier, erleben sie sich als kompetent, erhalten Anerkennung und erleben Erfolge. Daher lassen sie sich von der Anzahl Likes, die sie auf Instagram oder Facebook erhalten, viel weniger beeindrucken. Auch haben sie mit dem Haustier einen geduldigen Zuhörer für ihre Schulprobleme oder den Liebeskummer, sodass sie ihre negativen Gefühle nicht beim Gamen oder Surfen loszuwerden versuchen müssen.

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