Ukraine-KriegKiew dementiert Einnahme und Putin verteilt Orden – die Lage in Bachmut
Moskau verteilt schon Orden für die Eroberung von Bachmut – doch Kiew dementiert den Fall der seit Monaten umkämpften Stadt. Bachmut besitzt für beide Seiten hohe Symbolkraft. Der militärische Wert hingegen ist gering.
Darum gehts
Nach russischen Meldungen über die vollständige Einnahme von Bachmut ist die Lage ungewiss.
Zeitweise soll auch der ukrainische Präsident Selenski gesagt haben, dass die Stadt vollständig in russischer Hand sei – seine Aussage wurde aber offenbar falsch verstanden.
Derweil werden auf russischer Seite bereits die ersten Orden verliehen.
Das Schicksal der seit Monaten umkämpften Stadt Bachmut im Osten der Ukraine ist zwischen den beiden Kriegsparteien weiter umstritten. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski widersprach am Sonntag Behauptungen aus Moskau, wonach die weitgehend zerstörte Stadt jetzt vollständig unter russischer Kontrolle sei. Nach einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden am Rande des G7-Gipfels im japanischen Hiroshima sagte Selenski: «Bachmut ist heute nicht von Russland besetzt worden.» Zuvor hatte er selbst mit Aussagen zur militärischen Lage für Verwirrung gesorgt.
Ein Reporter hatte Selenski beim Gipfel der führenden demokratischen Industrienationen (G7) in Japan gefragt, ob Bachmut noch in ukrainischer Hand sei. Die Russen hätten gesagt, dass sie die Stadt eingenommen hätten. Der ukrainische Präsident antwortete mit dem Satz: «Ich denke nicht.» Die Ergänzung, Bachmut existiere «nur noch in unseren Herzen», werteten viele als Eingeständnis, dass die Stadt tatsächlich gefallen sei. In Bachmut lebten früher mehr als 70’000 Menschen. Heute harren dort nur noch wenige Zivilisten aus. Satellitenaufnahmen illustrieren die totale Zerstörung in der Stadt eindrücklich.
Ukrainischer Sprecher erklärt Selenski-Aussage
Interpretationshilfe gab später der Sprecher der ukrainischen Heeresgruppe Ost, Serhij Tscherewatyj: «Der Präsident hat es richtig gesagt: Die Stadt ist praktisch dem Boden gleichgemacht.» Allerdings hielten die Verteidiger weiterhin «Befestigungsanlagen und einige Räumlichkeiten im Südwesten der Stadt». Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar zufolge gelangen den Ukrainern an den Flanken Bachmuts sogar weitere Vorstösse. Das Militär habe mehrere Höhenzüge eingenommen, was es den Russen schwer mache, in der Stadt zu bleiben.
Russland hingegen behauptete am Sonntag weiter, die Stadt eingenommen zu haben. Am Samstag hatten zunächst Jewgeni Prigoschin und dann auch das Verteidigungsministerium die Eroberung verkündet. Kremlchef Wladimir Putin sprach den Wagner-Truppen und der eigenen Armee Glückwünsche aus. Die russischen Streitkräfte hätten den nötigen Schutz an den Flanken garantiert. Zugleich kündigte er an: «Alle herausragenden Kämpfer werden mit staatlichen Auszeichnungen geehrt.»
Russen erleiden in Bachmut horrende Verluste
US-Präsident Biden vermied am Rande des G7-Gipfels eine Aussage, ob die Stadt eingenommen sei. Die Russen hätten jedoch «mehr als 100’000 Verluste» in Bachmut erlitten. «Das ist schwer wieder aufzuholen», sagte Biden. «In Bachmut stehen nicht mehr viele Gebäude. Die Stadt ist ziemlich verwüstet.» Dass sowohl Kiew als auch Moskau einen Erfolg für sich verbuchen wollen, spricht vor allem für die emotionale Bedeutung der Ortschaft. Selenski hatte sie im Winter zu einer «Festung» erklärt.
Bis zum Herbst hätte ein Durchbruch bei Bachmut die Gefahr einer Einkesselung der ukrainischen Truppen bedeutet. Nach dem erzwungenen Rückzug aus dem Gebiet Charkiw ist den Russen der zweite Flügel zur Einschliessung aber weggebrochen. Zudem konnten die russischen Angreifer die Front nicht durchbrechen, sondern unter hohen Verlusten nur eindrücken. Die Söldnereinheit Wagner ist so geschwächt, dass sie nach Angaben Prigoschins ins Hinterland abgezogen werden soll.
«Vernichtung unserer Infanterie erfolgreich abgeschlossen»
Der frühere russische Geheimdienstoffizier Igor Girkin spottete: «Die gemeinsame Winter- und Frühlingskampagne der russischen Armee und Wagners zur Vernichtung unserer Infanterie am Donezker Frontabschnitt ist erfolgreich abgeschlossen.» Girkin, der 2014 den Separatistenaufstand in der Ukraine anführte und generell den Angriffskrieg gegen die Ukraine befürwortet, kritisiert seit Monaten Russlands Kriegsstrategie als dilettantisch.
Keine News mehr verpassen
Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.