Asyl, Prozess, FluchtKikos Lebensweg in der Schweiz
Hassan Kiko (27) wartet nach seiner gescheiterten Flucht im Gefängnis auf seinen neuen Vergewaltigungsprozess. Die «Weltwoche» gibt Details aus den Gerichtsakten preis.
- von
- qll
Gefängnisaufseherin Angela Magdici und Hassan Kiko flüchteten Anfang Februar aus dem Bezirksgefängnis Dietikon. Magdici half dem Syrer, der erstinstanzlich wegen Vergewaltigung verurteilt worden ist, da sie an seine Unschuld glaubt. Bei der Untersuchung gegen Kiko hätten die Justizbehörden Versäumnisse begangen, schreibt die «Weltwoche». Aus den Dokumenten, die ihr vorliegen, geht hervor, wie Kikos Lebensweg in der Schweiz verlief.
2009
Der Coiffeur Hassan Kiko flieht als 21-Jähriger aus Syrien in die Schweiz. Er wird im Asylheim Eschlikon TG untergebracht. Sein älterer Bruder lebt bereits in der Schweiz.
Mai 2012
Kiko lockt ein Mädchen ins Asylheim Eschlikon – mit dem Versprechen, ihr die Haare zu schneiden. Damit ihr T-Shirt nicht nass wird, bringt er sie dazu, dieses auszuziehen. Dann fällt er über sie her. Er versucht sie zu küssen und fasst ihr an die Brüste. Sie fleht ihn an, aufzuhören. Er bedroht sie mit einem spitzen Gegenstand. Dann lässt er von ihr ab.
Er überredet das Mädchen, noch zu bleiben. Als er ihre Haare fertig geschnitten hat, möchte sie gehen. Doch Kiko fällt wieder über sie her. Er reisst ihre Kleider vom Leib, greift an ihre Geschlechtsteile und versucht ihr seinen Penis in den Mund zu schieben. Noch am gleichen Abend geht die Frau zur Polizei und meldet den Fall.
Eine Woche später
Kikos Asylantrag wird gutgeheissen.
Herbst 2013
Kiko findet Arbeit in einem Coiffeurgeschäft in Zürich. In diesem Laden sollte es später zu einem weiteren Vorfall kommen.
Ein halbes Jahr später
Das Bezirksgericht Münchwilen TG verurteilt Kiko im Mai 2014 zu dreieinhalb Jahren Gefängnis. Weil Kiko auf eine bedingte Strafe hofft, lässt er via Anwalt eine Art Geständnis ausrichten.
Bei diesem Urteil kommt aber noch nicht zur Sprache, dass Kiko nur wenige Tage zuvor, also am Abend des 6. Mai 2014, eine weitere Frau sexuell belästigt hat – mit demselben Tatmuster wie bei dem ersten Vorfall. Kiko kommt für zwei Tage in U-Haft und legt ein Geständnis ab. Die Staatsanwaltschaft bestraft ihn mit 120 Tagessätzen bedingt mit einer Bewährungszeit von fünf Jahren.
November 2014
Die Berufungsinstanz bestätigt das Urteil des Bezirksgerichts Münchwilen, das den ersten Vorfall vom Asylheim zu bewerten hatte. Trotz Strafbefehl befindet sich Kiko zu diesem Zeitpunkt immer noch auf freiem Fuss.
23. November 2014
Eine 16-jährige Brasilianerin wird angeblich in Schlieren ZH vergewaltigt. Gegen den erklärten Willen des Mädchens kommt es zu einer Strafanzeige. Weil die DNA von Kiko gespeichert war, kommt die Polizei schnell auf ihn. Gemäss der «Weltwoche» hat das Mädchen bei der Einvernahme aber diffus und ausweichend geantwortet.
Auf die Frage, ob sie sich verbal oder physisch gewehrt habe, habe sie geantwortet: «In Gedanken wollte ich ihn irgendwie schubsen, aber ich hatte in Realität Angst, dass er mich schlagen könnte.»
22. März 2015
Kiko wird verhaftet. Im Gefängnis lernt er Aufseherin Angela Magdici kennen.
Juni 2015
Die Staatsanwaltschaft lässt die Brasilianerin noch einmal einvernehmen. Beim ersten Termin erscheint sie nicht. Beim zweiten Anlauf hat sie laut «Weltwoche» nur widerwillig mitgemacht. Eine Polizistin habe versucht, ihr konkrete Angaben zu entlocken. Doch das Mädchen sei ausgewichen.
3. Dezember 2015
Der Fall der Brasilianerin wird vor dem Bezirksgericht Dietikon verhandelt. Das Gericht entschied: vier Jahre Gefängnis und Widerruf des bedingten Strafbefehls. Statt der dreieinhalb Jahre, die der Kanton Thurgau verhängte, muss Kiko nun doppelt so lang ins Gefängnis.
Die Befragung des Angeklagten zur Sache und zur Person sei nur eine «protokollarische Pflichtübung» gewesen, so die «Weltwoche». Es seien zudem keine Zeugen geladen worden. Auch das Opfer selber sei nicht erschienen. Laut der Zeitung hat das Gericht «nach jahrelangem Trödeln plötzlich ein Brachialurteil» gefällt.
4. Dezember 2015
Magdici hat die Idee, mit Kiko zu fliehen.
9. Februar 2016
In der Nacht auf den 9. Februar fliehen die Gefängniswärterin und der Gefängnisinsasse.
Karfreitag
Das Paar wird in Italien geschnappt.
Jetzt
Magdici hat wieder einen Job. Kiko wartet im Gefängnis auf die Berufungsverhandlung.