Kirche liefert Pädophile nicht in jedem Fall aus

Aktualisiert

Kirche liefert Pädophile nicht in jedem Fall aus

Neben den beiden bekannt gewordenen Fällen laufen derzeit keine Verfahren gegen Priester wegen Pädophilieverdachts. Doch über neue Fälle wird von der Kirche nicht unbedingt informiert - nur bei Wiederholungsgefahr werden die weltlichen Behörden eingeschaltet.

«Für mich sind die Richtlinien zu vage», sagt Nicolas Betticher, Offizial (Leiter des kirchlichen Gerichtswesens) im Bistum Lausanne-Genf-Freiburg. Als zu wenig streng beurteilt er insbesondere die Bestimmung, wann die Kirche einen Priester beim Staat anzeigen soll.

Die aktuellen Richtlinien der Schweizerischen Bischofskonferenz (SBK) schreiben eine Anzeige nur in schweren Fällen vor - «wenn sich die nahe Gefahr von Wiederholungstaten nicht auf andere Weise bekämpfen lässt».

Betticher will nun erreichen, dass die Kirche schon bei Indizien die zivilen Ermittlungsbehörden informiert. Es sei wichtig, dass die Wahrheit so schnell wie möglich ans Licht komme. Nur das sei im Interesse des Opfers, sagte er. Die Kirche müsse deshalb von Anfang an mit den zivilen Behörden zusammenarbeiten.

«Vielleicht braucht es an gewissen Stellen klarere Formulierungen», sagte SBK-Sprecher Walter Müller auf Anfrage. Er hatte am Montag die Überprüfung der Richtlinien angekündigt.

Diese halten weiter fest, dass kirchliche Amtsträger und Mitarbeiter nach staatlichem Recht grundsätzlich nicht zu einer Strafanzeige verpflichtet seien. Die Täter sollen zur Selbstanzeige bewogen und die Opfer darauf hingewiesen werden, dass sie eine Strafanzeige beim Staat einreichen können.

Die Weihe bleibt

Kirchenintern könne fehlbaren Priestern die Ausübung ihrer Tätigkeit verboten werden, sagte Müller weiter. Die Weihe an sich werde aber nicht zurückgenommen, diese sei ein Sakrament.

Welche Sanktionen gegen pädophile Priester in der Schweiz in der Regel ausgesprochen würden, konnte Müller nicht sagen. In der Vergangenheit habe es nur einige wenige Fälle gegeben. Und über diese sei er nicht im Detail informiert.

Keine neuen Fälle

Gemäss einer Umfrage der Nachrichtenagentur SDA bei den sechs Schweizer Bistümern sind keine weiteren Fälle von Priestern hängig, die im Verdacht stehen, Kinder sexuell missbraucht zu haben. Letztmals wurde im Jahr 2005 im Tessin ein Priester wegen sexueller Übergriffe auf ein 14-jähriges Mädchen zu sechs Monaten Haft bedingt verurteilt.

Am Dienstag hatte Betticher bekannt gegeben, dass er einen Priester aus seinem Bistum wegen Pädophilieverdachts beim Staat angezeigt habe. Einzelheiten nannte er nicht. Gleichzeitig habe er ein innerkirchliches Verfahren eingeleitet, sagte Betticher am Mittwoch. Der Fall sei ihm erst seit dem Wochenende bekannt.

Bereits im Gange sind Ermittlungen gegen einen 67-jährigen Kapuzinerpriester, der zurzeit im Delsberger Kloster Montcroix lebt. Der Kapuziner ist geständig, im Jahr 1992 seinen damals 12- jährigen Neffen missbraucht zu haben. Die französischen Behörden werfen ihm zudem vor, sich nach seiner Versetzung nach Frankreich auch dort an einem Kind vergangen zu haben. (sda)

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