KonzerninitiativeKnatsch um KVI-Fahnen geht in die nächste Runde
Die Initianten setzten bei ihren Fahnen auf ein Fair-Label. Für die Gegner der Beweis, dass das Anliegen zu weit geht.

- von
- Daniel Graf
Darum gehts
Auf Twitter wird diskutiert, wo die Fahnen produziert werden, die für die Konzernverantwortungsinitiative werben.
Für Adrian Michel vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse zeigt die Debatte: «Die Forderung der KVI, dass sämtliche Lieferketten lückenlos überprüft werden, ist realitätsfremd.»
Der Unternehmer und KVI-Befürworter Dietrich Pestalozzi widerspricht vehement: «Diese Behauptungen sind ein weiterer verzweifelter Versuch der Konzerne, die Initiative mit Falschmeldungen zu diskreditieren.»
In zwei Wochen stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung über die Konzernverantwortungsinitiative ab, Befürworter und Gegner kämpfen um jede Stimme. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse tut das nun mit einem Frontalangriff auf die Initianten. Auslöser war ein Tweet von FDP-Nationalrätin Christa Markwalder, in dem sie kritisiert, dass die orangen Fahnen, mit denen die Initianten für ein Ja werben, nicht in der Schweiz hergestellt worden seien.
Die Befürworter reagierten und stellten klar: «Die Fahnen produzierte die Manroof GmbH in Zusammenarbeit mit einer Herstellerfirma in Griechenland aus recyceltem PET.» Manroof sei auf die Produktion von fairen und nachhaltig hergestellten Gadgets spezialisiert und Mitglied der Fair Wear Foundation.
«Keine Garantie durch Zertifikate»
Für Adrian Michel, Projektleiter beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, ist die Sache damit aber noch nicht gegessen: «Zertifikate, wie sie die Fair Wear Foundation ausstellt, sind sicher eine gute Sache und helfen, Missstände zu verhindern. Sie bieten aber keine Garantie für die Einhaltung sämtlicher Pflichten, wie verschiedene Beispiele zeigen.»
Und genau da liege das Problem: «Bei einer Annahme müssten Schweizer Firmen alle Lieferanten und Unterlieferanten überwachen, um sicherzustellen, dass sich diese an Menschenrechte und internationale Umweltstandards halten», sagt Michel. «Die Initianten fordern von Schweizer Firmen also eine Garantie, die nicht einmal spezialisierte Labels lückenlos liefern können. Dass dies den Unternehmen gelingen wird, ist schlicht eine weltfremde Vorstellung.»
Michel kritisiert das «blinde Vertrauen» der Initianten in das Fair-Wear-Zertifikat der Herstellerfirma. Es sei doch sehr fraglich, ob in Zukunft in den Augen eines Richters ein Zertifikat ein ausreichender Beleg für «die gebotene Sorgfalt» darstellt, wie sie die Initiative fordere.
«Konzerne wollen KVI mit Falschmeldungen diskreditieren»
Dietrich Pestalozzi, langjähriger Verwaltungsratspräsident des gleichnamigen Unternehmens, engagiert sich gemeinsam mit rund 300 weiteren Unternehmern für die KVI. Er wischt die Argumente von Michel beiseite, weil diese völlig an der Initiative vorbeizielen würden: «Die Initiative fordert weder einen lückenlose Kontrolle der Lieferkette noch Garantien. Diese Behauptungen sind ein weiterer verzweifelter Versuch der Konzerne, die Initiative mit Falschmeldungen zu diskreditieren.» Ausserdem seien fast alle KMU von der Initiative ausgeschlossen. «Nur weil die Lobbyverbände der Konzerne seit Wochen das Gegenteil behaupten, wird es nicht wahrer», sagt Pestalozzi.
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«Grosskonzerne sollen nicht wegschauen»
Der Unternehmer betont, dass sich die KVI gegen Konzerne wie Glencore wende. «Die Initiative will, dass Konzerne nicht länger die Augen vor Kinderarbeit, Zwangsarbeit oder Umweltzerstörung verschliessen. So soll beispielsweise bei jemandem, der Rohgold aus Minen bezieht, bei denen jeder weiss, dass Kinderarbeit an der Tagesordnung ist, nicht länger einfach weggeschaut werden.» Dort, wo ein Konzern selber einen Schaden verursacht, soll er darüber hinaus auch dafür geradestehen und Schadenersatz zahlen.
Die Initiative
Die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) verlangt, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz die Menschenrechte und internationale Umweltstandards auch im Ausland respektieren müssen. Verletzt eine Schweizer Firma im Ausland diese Rechte, soll sie dafür haftbar gemacht werden können. Sprich: Menschen, die im Ausland von einer Schweizer Firma geschädigt wurden, sollen hier auf Schadenersatz klagen können. Einzige Ausnahme von der Haftungsregelung: wenn die Firma nachweisen kann, dass sie ihren Sorgfaltspflichten nachgekommen ist.