Zürcher Staatsanwalt: «Können keinen zwingen, sein Handy zu entsperren»

Aktualisiert

Zürcher Staatsanwalt«Können keinen zwingen, sein Handy zu entsperren»

Daten von Handys werden bei Gerichtsfällen immer wichtiger. Stephan Walder von der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich erklärt die Hintergründe.

T. Mathis
von
T. Mathis
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Stephan Walder leitet die Abteilung Cybercrime bei der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich. Er hat oft mit Fällen zu tun, bei denen Chatverläufe aus Whatsapp eine Rolle spielen.

Stephan Walder leitet die Abteilung Cybercrime bei der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich. Er hat oft mit Fällen zu tun, bei denen Chatverläufe aus Whatsapp eine Rolle spielen.

Für die Ermittlungen sind solche Informationen wertvoll: «Ein sichergestellter Chat liefert beispielsweise eine sehr gute Beweislage, im Zuge derer sich ein Beschuldigter öfter zu einem Geständnis entschliesst.»

Für die Ermittlungen sind solche Informationen wertvoll: «Ein sichergestellter Chat liefert beispielsweise eine sehr gute Beweislage, im Zuge derer sich ein Beschuldigter öfter zu einem Geständnis entschliesst.»

Oliver Berg
Vielen jungen Menschen sei auch nicht bewusst, dass der Besitz von Nacktfotos von Personen unter 16 Jahren einen Straftatbestand erfüllt. Ihnen droht ein zusätzliches Verfahren.

Vielen jungen Menschen sei auch nicht bewusst, dass der Besitz von Nacktfotos von Personen unter 16 Jahren einen Straftatbestand erfüllt. Ihnen droht ein zusätzliches Verfahren.

Keystone/Nick Soland

Bei Gerichtsfällen spielen immer häufiger Messenger-Dienste wie Whatsapp eine Rolle. Sie werden für die Beweisführung herangezogen und dienen den Richtern dazu, die Glaubwürdigkeit der Aussagen von Beschuldigten und Geschädigten einzuschätzen.

Stephan Walder leitet bei der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich die Abteilung Cybercrime. Er hat täglich mit solchen Fällen zu tun. Im Interview erklärt er, wie Handy-Daten Beweise liefern können und wie Sexting zu einer Strafuntersuchung führen kann.

Sind Daten von Handys eine Hilfe bei den Ermittlungen?

Auf den Handys werden sehr viele Daten gespeichert. Neben Chatverläufen finden wir zum Beispiel auch Kontakte, Google-Suchdaten, Statusmeldungen und Protokolle. Das sind sehr wertvolle Informationen für uns, vor allem für die Forschung nach dem Tatvorgehen und den Motiven der Täter.

Was für Daten finden Sie konkret auf den Handys?

Bei jungen Erwachsenen finden wir auf vielen beschlagnahmten Mobiltelefonen kinderpornografische Inhalte, hauptsächlich Bilder und Videos. Das ist ein Problem. Vielen jungen Menschen ist nicht bewusst, dass der Besitz von Nacktfotos von Personen unter 16 Jahren einen Straftatbestand erfüllt. Es geht sogar noch weiter: Sexting – Nachrichten oder Chats mit pornografischen Wörtern – kann den Straftatbestand der Pornografie erfüllen.

Haben die jungen Erwachsenen dann ein zusätzliches Verfahren am Hals?

Grundsätzlich schon. Es gibt aber Ausnahmefälle, in denen man das Verfahren einstellen kann.

Suchen Sie gezielt nach solchen Inhalten?

Genauso wie Kontrollen in Quartieren, ist die Polizei auch im Internet präsent, um nach Straftaten zu suchen. Dabei stellen wir fest, dass vor allem Jugendliche viel von sich preisgeben. Das ist einerseits erschreckend, aber andererseits überführen sich junge Straftäter dadurch manchmal auch selbst. Sie filmen sich etwa mit Gesicht und Tacho beim Rasen und laden das Video anschliessend auf eine Plattform hoch.

Wie gelangen Sie an die Daten?

Zum einen dürfen wir den Datenverkehr in den engen Grenzen des Gesetzes überwachen. Doch bei Whatsapp bringt das nichts, weil die Daten verschlüsselt gesendet werden. Zum anderen dürfen wir beschlagnahmte Mobiltelefone auswerten. In diesem Fall ist die Entsperrung des Handys der kritische Schritt.

Wie schaffen Sie das?

Das ist eine taktische Herausforderung. Die Polizei versucht, das Gerät in einem Moment sicherzustellen, in dem es vom Besitzer verwendet wird. Eine spätere Entsperrung ist schwierig, weil der Beschuldigte nicht verpflichtet ist, sich selbst zu belasten. Wir dürfen ihn also nicht dazu zwingen, uns den Code bekannt zu geben. In bestimmten Fällen wird es aber als vertretbar erachtet, dass wir Fingerabdrücke nehmen und Fotos machen, um dieses Material für die Entsperrung eines Mobiltelefons zu verwenden.

Wie verwenden Sie die Daten im Ermittlungsverfahren?

Gerade bei Fällen, in denen nur zwei Personen bei der angeblichen Straftat zugegen waren, sind die Ermittlungen schwierig. Es steht Aussage gegen Aussage. Durch zusätzliche Informationen können wir die Beweislage verbessern. Ein sichergestellter Chat liefert beispielsweise eine sehr gute Beweislage, im Zuge derer sich ein Beschuldigter öfter zu einem Geständnis entschliesst. Darauf zielen unsere Ermittlungen ab.

Haben Sie ein konkretes Beispiel?

In einem Fall von häuslicher Gewalt schwärmte der Beschuldigte gegenüber den Ermittlern von der angeblich sehr intakten Beziehung zu seiner Ehefrau. Bei der Auswertung des Chatverlaufs stellten wir fest, dass er seine Frau oft beschimpft und beleidigt hatte. Der Beschuldigte hatte uns also etwas vorgegaukelt. Nach Vorlegung dieses Chats korrigierte er seine Aussagen und räumte die strafrechtlichen Vorwürfe ein.

Was passiert, wenn der Beschuldigte nicht geständig ist?

Jeder Beschuldigte hat das Recht, Aussage und Mitwirkung in einem Strafverfahren zu verweigern. Es gilt die Unschuldsvermutung. Die Staatsanwaltschaft hat die Beweislast. Daher müssen wir alle möglichen Beweismittel erheben, um den vorgeworfenen Sachverhalt zu erstellen. Dabei sind Chatverläufe sehr wertvoll und liefern oft einen wichtigen Teil des Puzzles.

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