Vakzin-Knappheit: Könnten uns die Impfstoffe aus China und Russland aus der Patsche helfen?

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Vakzin-KnappheitKönnten uns die Impfstoffe aus China und Russland aus der Patsche helfen?

Um das Coronavirus in absehbarer Zeit aus der Welt zu impfen, bräuchte es mehr Vakzine als bislang regulär zugelassen sind. Helfen könnten da die Präparate aus China und Russland, die aber spielen in unseren Breitengraden keine Rolle.

von
Fee Anabelle Riebeling
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In unseren Breitengraden spielen nur in westlichen Ländern hergestellte Impfstoffe eine Rolle.

In unseren Breitengraden spielen nur in westlichen Ländern hergestellte Impfstoffe eine Rolle.

imago images/Beautiful Sports
Entsprechend schleppend läuft die Immunisierung der Menschen, denn aufgrund des Fokus’ auf die westlichen Präparate mangelt es an Impfstoff.

Entsprechend schleppend läuft die Immunisierung der Menschen, denn aufgrund des Fokus’ auf die westlichen Präparate mangelt es an Impfstoff.

20min/Marvin Ancian
Ein solches Problem haben die Vereinigten Arabischen Emirate nicht. (Stand: Februar 2021)

Ein solches Problem haben die Vereinigten Arabischen Emirate nicht. (Stand: Februar 2021)

Our World In Data/CC BY 4.0

Darum gehts

  • In der Diskussion über Corona-Impfstoffe spielen die Präparate aus China und Russland hierzulande keine Rolle.

  • Dafür gibt es gute Gründe, denn es herrscht ein Mangel an verlässlichen Daten.

  • Zumindest für Russlands Sputnik V hat sich das nun geändert.

  • Bei den chinesischen Vakzinen liegt jedoch nach wie vor viel im Dunkeln.

Um das Coronavirus Sars-CoV-2 wirklich zu stoppen, müssen weltweit mehrere Milliarden Dosen verimpft werden. Doch bis dahin könnte es noch einige Jahre dauern. Denn so richtig Fahrt aufnehmen will die Immunisierung von Menschen gegen Sars-CoV-2 nicht. Auch nicht in der Schweiz. Dies nicht, weil sich kaum jemand impfen lassen möchte, sondern vor allem weil es an Impfstoff mangelt.

Ganz anders sieht die Lage in Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten aus. Gegenüber den Ländern in Europa haben sie einen gewaltigen Vorsprung (siehe Bildstrecke). Während Israel beim Impfen in erster Linie auf die Vakzine von Pfizer/Biontech und das Moderna setzt, kommen in den Emiraten vor allem Präparate aus China zum Einsatz. Diese spielen, genauso wie die Impfstoffe aus Russland, in Europa so gut wie keine Rolle.

Doch warum ist das eigentlich so? Schliesslich werden die chinesischen und russischen Vakzine ja auch andernorts bereits verimpft – allerdings ohne, dass zuverlässige Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit vorliegen würden: Die Impfstoffe wurden auf den Markt gebracht, ohne dass sie die im Westen üblichen Sicherheitsstudien durchlaufen haben. Es ist sogar die Rede davon, dass sie «unter fragwürdigen Umständen an Menschen ausprobiert» wurden, wie etwa Spiegel.de schreibt. Doch was heisst das?

Bis heute fehlten verlässliche Daten

Bezogen auf Russlands Sputnik V bedeutete das, dass bis zum 2. Februar 2021 keine aussenstehende Person nachvollziehen konnte, aufgrund welcher Daten das Präparat im August 2020 als erster Covid-19-Impfstoff der Welt zugelassen worden war. Alles, was bis dahin bekannt war, ging bislang auf die Aussage von Präsident Wladimir Putin sowie eine im Dezember 2020 publizierte Mitteilung des Herstellers zurück, laut der die Wirksamkeit des Impfstoffs bei 91,4 Prozent liegt.

Nun zeigen erste im renommierten Fachjournal «The Lancet» veröffentlichte Daten, dass Sputnik V zu 91,6 Prozent vor einer symptomatischen Covid-19-Infektion schützt. Das hätten Zwischenanalysen der Phase-III-Studien mit rund 20’000 Probanden gezeigt. Bei Personen über 60 Jahren soll der Schutz sogar bei 91,8 Prozent liegen. Allerdings stützt sich diese Aussage auf eine kleine Gruppe von nur 2000 Teilnehmern. Schwerwiegende Nebenwirkungen habe es nur wenige gegeben, die die Forscher aber nicht auf das Vakzin zurückführen. Auch die vier dokumentierten Todesfälle sollen nicht mit der Impfung im Zusammenhang stehen. Endgültige Ergebnisse sollen im Mai 2021 vorliegen.

Drei Impfstoff-Typen

- Vektorimpfstoff: Bei diesem Ansatz dient ein abgeschwächtes und harmloses Virus als Transportmittel (Vektor) für einen ungefährlichen Teil der Erbinformation von Sars-CoV-2. Es wird quasi verkleidet, damit es in den Körper eingeschleust werden kann.

- Totimpfstoffe mit Virusproteinen: Bei diesen wird die Erbinformation mit dem Bauplan für ein Virusprotein zunächst in Bakterien, Hefe oder in Säugerzellen eingebracht, die dann das Virusprotein produzieren. Nach der Reinigung wird dieses dann als Antigen im Impfstoff verwendet.

- mRNA-Impfstoffe: Diese enthalten eine genetische Bauanleitung für ein oder mehrere Sars-CoV-2-Proteine , die nur von einigen wenigen Zellen im menschlichen Körper aufgenommen werden können. Einmal injiziert, soll das Immunsystem dann für eine begrenzte Zeit selbst (ungefährliches) Virusprotein bilden, das dann wie bei einem konventionellen Impfstoff den Aufbau des Immunschutzes bewirkt.

Verwirrung statt Klarheit aus China

An verlässlichen Daten mangelt es dagegen weiterhin bei den chinesischen Vakzinen. Statt sich darum zu bemühen, diese bereitzustellen, ist das Land damit beschäftigt, Zweifel an der Sicherheit westlicher Impfstoffe zu schüren. Damit will China offenbar von Ungereimtheiten in der eigenen Impfstoffentwicklung ablenken. Denn auch dort werden Vakzine aus heimischer Produktion verabreicht, ohne die abschliessenden Ergebnisse der Phase-III-Studien abzuwarten.

Tatsächlich: Verlässliche Daten zu Wirksamkeit gibt es bislang nicht, wie der Fall von SinoVacs CoronaVac zeigt. So wurde die Wirksamkeit auf Basis einer Phase-III-Studie aus Brasilien zunächst mit 78 Prozent beziffert, was wenig später von anderen Forschenden auf 50,38 Prozent herunter korrigiert wurde. Bei anderen Phase-III-Studien zu dem Vakzin lag der Wert mal bei 65 Prozent (Indonesien), mal bei mehr als 91 Prozent (Türkei). Finale Daten hat der Hersteller bislang nicht vorgelegt.

Verlässliche Daten zur Wirksamkeit von Sinopharms BBIBP-CorV stehen ebenfalls noch aus. Der Impfstoff soll eine Wirksamkeit von knapp 80 Prozent haben – laut Aussage des Pharmakonzerns. Nachvollziehen lässt sich die Aussage für Unbeteiligte jedoch nicht, da noch keine detaillierten Ergebnisse aus den gerade laufenden Phase-III-Studien in einem wissenschaftlichen Journal veröffentlicht wurden. Ähnlich sieht es mit einer in den VAE durchgeführten Phase-III-Untersuchung aus: Diese attestierte dem Mittel eine Wirksamkeit von 86 Prozent. Doch auch hierzu stehen die Daten noch aus. Noch weniger bekannt ist laut dem «New York Times Vaccine Tracker» nur, wie es um das zweite Vakzin von Sinopharm steht.

Notfallgenehmigung beantragt

Für mehr Klarheit sorgen will nun die Weltgesundheitsorganisation WHO: Ein nach China entsandtes Expertenteam will sich die Produktionsstätten von Sinovac und Sinopharm zeigen lassen. Medienberichten zufolge versuchen beide Firmen offenbar, eine Notfallgenehmigung der WHO zu erhalten. Mit einer Entscheidung ist nicht vor März zu rechnen.

Unklar ist auch, ob die Impfstoffe aus Russland und China überhaupt je eine Rolle im Schweizer Impfplan spielen werden. Denn «nur Unternehmen, die in der Schweiz eine bewilligte Niederlassung haben, können ihren Impfstoff für die Zulassung bei uns beantragen», zitiert Blick.ch Swissmedic-Sprecher Lukas Jaggi. Dazu zählen neben Pfizer, auch AstraZeneca, Moderna und Johnson & Johnson, nicht aber der russische Hersteller, Sinopharm oder SinoVac.

Beim Bundesamt für Gesundheit hält man sich indes bedeckt: An der heutigen Medienkonferenz darauf angesprochen, ob sich die Schweiz nicht um den russischen Impfstoff bemühen sollte, sagte BAG-Direktion Anne Lévy: «Zu den verschiedenen Impfstoffen und allfälligen Verhandlungen äussern wir uns nicht.»

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Hier findest du Hilfe:

BAG-Infoline Coronavirus, Tel. 058 463 00 00

BAG-Infoline Covid-19-Impfung, Tel. 058 377 88 92

Dureschnufe.ch, Plattform für psychische Gesundheit rund um Corona

Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige

Pro Juventute, Tel. 147

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