Affäre Markwalder«Kollegen haben ihr einen Persilschein ausgestellt»
Für die FDP ist die Kasachstan-Affäre gegessen. Christoph Mörgeli (SVP) hofft trotzdem, dass das Parlament die Immunität Markwalders aufheben wird.
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- daw
Carlo Sommaruga (SP), Präsident der Aussenpolitischen Kommission, erklärt den Beschluss vor den Medien. (Video: Michael Fischer)
Christa Markwalder kann aufatmen: Zunächst verzichtete die Aussenpolitische Kommission ohne Gegenstimme auf eine Strafanzeige wegen der Verletzung des Sitzungsgeheimnisses, dann sah auch das Büro des Nationalrats von disziplinarischen Massnahmen ab. Nationalratspräsident Stéphane Rossini verlas die Neuigkeit im Ratsaal und verkündete, die Sache sei gegessen. Die Parlamentarier applaudierten demonstrativ.
In einer Mitteilung an die Medien schreibt Markwalder, sie sei erleichtert über die Beschlüsse. «Ich habe meine Lehren aus dieser zwei Jahre zurückliegenden Geschichte gezogen und bin gewillt, mich weiterhin für eine selbstbewusste Schweiz und einen erfolgreichen Kanton Bern einzusetzen.» Es gelte, den Blick nach vorne zu richten. Dieser Meinung ist offenbar auch die FDP-Spitze: Weder Präsident Philipp Müller noch Fraktionschefin Gabi Huber äussern sich noch zur Kasachstan-Affäre (siehe Box).
«Kommissionsgeheimnis dehnbar»
Die SVP schiesst dagegen scharf in Richtung Markwalder. Für SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli wird nicht mit gleich langen Ellen gemessen: «Einen Regelverstoss unter Ihresgleichen sehen die Politiker nicht so eng. Die Kollegen haben Markwalder einen Persilschein ausgestellt, obwohl sie Briefträgerin des kasachischen Regimes war.» Wenn das Kommissionsgeheimnis von Fall zu Fall beliebig dehnbar sei, könne man es gleich auflösen.
Ganz durchgestanden hat Markwalder die Affäre allerdings noch nicht. Zwei Bürger haben Anzeige eingereicht. Vorgeworfen werden ihr unter anderem Amtsgeheimnisverletzung und politischer Nachrichtendienst für einen fremden Staat. Die Bundesanwaltschaft hat darum die Aufhebung der parlamentarischen Immunität der Bernerin beantragt. Die Immunitätskommissionen beider Räte werden sich voraussichtlich erst nach der Sommersession mit dem Gesuch des Bundesanwalts befassen.
«Immunität ist nicht gefährdet»
Mörgeli hofft, dass die Immunität aufgehoben wird. «Sie sollte sich dem Verfahren stellen. Die Bundesanwaltschaft hat offenbar einen begründeten Anfangsverdacht.» Nur weil «EU-Turbo Markwalder» ein grosses Netzwerk unterhalte, dürfe sie nicht geschützt werden.
CVP-Präsident Christophe Darbellay sieht die Immunität Markwalders jedoch nach den heutigen Beschlüssen nicht gefährdet und spricht von einem «Shitstorm der Medien»: «Ich halte Christa Markwalder für eine integre Politikerin. Sie hat ja kein vertrauliches Protokoll weitergeben, sondern Informationen, die allgemein bekannt sind.» Es gebe deshalb auch keinen Grund, weshalb man sie Ende November nicht zur Nationalratspräsidentin küren solle.
Dokumente veröffentlicht
Christa Markwalder hat im Zuge der Kasachstan-Affäre Unterlagen aus einer Sitzung an eine Lobbyistin der PR-Agentur Burson Marsteller weitergeleitet. Sowohl die Aussenpolitische Kommission als auch das Büro sehen darin höchstens eine formelle Verletzung des Amtsgeheimnisses, da die Informationen bereits bekannt seien. Gemäss Gesetz sind Kommissionssitzungen allerdings vertraulich. Die von Markwalder weitergereichten Dokumente können hier eingesehen werden. Am Anfang der Affäre stand eine Interpellation aus dem Jahr 2013: Die NZZ deckte Anfang Mai auf, dass der Text von der PR-Agentur Burson-Marsteller stammte und diese wiederum im Auftrag der kasachischen Partei Ak Schol handelte, die dem kasachischen Regime nahesteht.