MotorradKostet Technik-Pfusch Tom Lüthi den Titel?
Nur ein 11. Platz beim GP von Tschechien. Der Rückstand von Tom Lüthi auf WM-Leader Toni Elias ist auf uneinholbare 62 Punkte angewachsen. Mit ziemlicher Sicherheit wegen eines Technik-Pfusches.
- von
- Klaus Zaugg ,
- Brünn

Kostet Pfusch Tom Lüthi den WM-Titel?
Lühtis Gesicht hätte nach dem Rennen die perfekte Lexikon-Illustration zum Wort «Ratlosigkeit» gegeben. Er fand einfach keine Erklärung dafür, warum er im Rennen lediglich auf den elften Platz gekommen war. «Irgendwo in der Technik steckt der Wurm drin. Ich habe alles riskiert und gekämpft und bin einfach nicht vorwärtsgekommen. Das Problem war die zweite Hälfte der Kurven. Ich konnte nicht richtig heraus beschleunigen.»
Inzwischen haben die Techniker das Problem gefunden. Eine defekte Motoren-Elektronik am Honda-Einheitstriebwerk. Teamchef Terrell Thien erklärte sichtlich verärgert: «Wir standen vor einem Rätsel. Tom ist in absoluter Bestform, sein Selbstvertrauen ist intakt und er ist hoch motiviert, eine Aufholjagd bis aufs Podest wie in Silverstone hielten wir für möglich. Wir konnten uns einfach nicht erklären, warum er aus den Kurven heraus nicht beschleunigen konnte. Der Bordcomputer hat uns nun die Antwort geliefert. Die elektronische Steuerung des Motors spuckte. Das Sauerstoff-Benzingemisch stimmte so nie richtig. Weil die Elektronik eine falsche Drehzahl anzeigte - manchmal bei 14 000 Umdrehungen, manchmal bei 20 000 - riegelte das Triebwerk für ein oder zwei Sekunden ab statt mehr Leistung zu liefern, wenn Tom aus den Kurven heraus Gas gab. Toms Leistungen sind unter diesen Umständen nicht hoch genug einzuschätzen.» Offenbar arbeite ein Sensor in der Elektronik nicht richtig.
Brisant: Den Teams werden während der Saison mehrmals neue Motoren zugelost. Lüthis Team hat für den GP von Deutschland neue Motoren bekommen – und steckt seither in der Krise. Thien: «Ich gehe davon aus, dass wir nun die schadhaften Teile ersetzt bekommen.»
Entscheidet Pfusch die WM?
Damit zeichnet sich ab: Technischer Pfusch könnte die neue Moto2-WM entscheiden. Der reale Sozialismus hat nicht funktioniert. Die UdSSR und die DDR sind untergegangen. Nun zeigt sich, dass auch der töfftechnische Sozialismus problematisch ist. Die Besonderheit der neuen Moto2-WM: Alle Teams bekommen die gleichen Motoren (von Honda) und die gleichen Reifen (Dunlop). Ist damit Gerechtigkeit garantiert? Haben alle Teams die gleichen Motoren und Reifen? Nein, offenbar nicht.
Um Betrügereien zu verhindern und die Chancengleichheit zu erhöhen, werden den Teams in regelmässigen Abständen neue Motoren zugelost. Auch Lüthis Team hat für den GP von Deutschland ein neues Triebwerk zugelost bekommen – und seither läuft nichts mehr rund. Und: Seit dem Deutschland-GP hat noch ein anderes Spitzenteam technische Probleme. Shoya Tomizawa kam auf dem Sachsenring lediglich auf den 18. und in Brünn bloss auf den 10. Rang. Vor allem in Brünn war die Enttäuschung gross. Der Japaner war im Training Bestzeit gefahren. Sein Teamchef Alain Bronec hatte eine Erklärung: «Der Motor hat nicht richtig funktioniert.» Und Roberto Rolfo, der aus der ersten Startreihe losgefahren war, kam überhaupt nicht ins Ziel. Er lag nach 14 von 20 Runden an zweiter Stelle, als sein Triebwerk explodierte. Gleiche Motoren = gleiche Chancen? Offenbar nicht.
Probleme auch mit den Reifen
Aber auch mit den Dunlop-Reifen gibt es Probleme. Der «Gummi-Sozialismus» funktioniert nicht. Dunlop liefert angeblich immer wieder Serien mit schlechter Qualität. «Niemand lehnt sich offen dagegen auf», sagt ein Teamchef, der anonym bleiben will. «Weil jeder Nachteile befürchtet.» Das Problem: Offensichtlich wisse Dunlop, wenn eine schlechte Serie ausgeliefert werde, informiere darüber aber nur ausgewählte Teams. Wer die Info nicht kriegt, habe Pech.
Tatsächlich hat Tom Lüthi in Brünn im Training (als 13. nur in der 4. Startreihe) Reifen aus einer schlechten Serie erwischt. «Er ist die Trainingsbestzeit schliesslich mit einem Pneu gefahren, der schon 29 Runden lang gefahren worden ist», bestätigt sein Teamchef Thien auf Anfrage.
Die Polemik um Motoren und Reifen zeigt: Pfusch hat einen entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der Moto2-WM.