Vogel auf den Teller«Krähensuppe ist ein traditionelles Rezept»
Der Aargauer Pro-Natura-Mann Johannes Jenny hat nichts gegen den Abschuss von Krähen – wenn sie auch gegessen werden. Im Interview erklärt er, warum.
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Herr Jenny, Sie billigen den Abschuss von Rabenkrähen, die Schäden auf den Feldern der Bauern anrichten. Gleichzeitig rufen Sie auf Tele M1 dazu auf, das Krähenfleisch zu essen. Ihr Ernst?
Ja, das ist kein Scherz. Krähensuppe zum Beispiel ist ein traditionelles Rezept, es ist einfach nicht mehr so bekannt. Gehen Sie mal ins Internet, Sie werden eine Vielzahl schmackhafter Rezepte finden. Eine Rabenkrähe ist genauso ein Vogel wie ein Huhn. Und ich esse lieber das Fleisch einer glücklichen Rabenkrähe als eines unglücklichen, mit Soja gemästeten Huhns, für das Regenwald abgeholzt werden musste.
Haben Sie denn schon einmal Krähe gegessen?
Nein, ich werde es aber demnächst probieren. Ich habe vier Tiere ausgenommen, die Schlegel und das Brüstchen eingefroren. Das Fleisch ist dunkel, ähnlich wie Rindfleisch und sicher cholesterinarm. Da es sich um Flugmuskulatur handelt, ist es ganz mager.
Während andere Tierschützer und Jagdgegner zum Boykott gegen die Gemüsebauern aufrufen, die Krähen abschiessen wollen, haben Sie nichts dagegen. Warum?
Wir müssen die Landwirte ernst nehmen, bevor sie zu kontraproduktiven Selbsthilfeaktionen übergehen und Krähen vergiften. Von der Krähenplage sind alle betroffen – auch die Biobauern. Die Krähen reissen die Setzlinge aus, weil sie nach Würmern suchen. Ich sage es ungeschminkt: Wer gerne verschissenen Salat will, kann sich dem Boykott gerne anschliessen. Ausserdem geht es nur um die Rabenkrähe, die Saatkrähe und natürlich die Dohle müssen geschont werden.
Warum gleich abschiessen? Man könnte auch Vogelscheuchen aufstellen.
Vogelscheuchen nützen bei Krähen leider nichts, die Tiere sind sehr intelligent. Die Krähenjagd ist legal. Sie dient weniger der Reduktion der Population als der Vergrämung: Die Vögel merken, dass es gefährlich ist und meiden dann die Felder. Langfristig braucht es weitere Massnahmen, etwa das Pflanzen grösserer Bäume. Dort brüten dann Krähen, die ihr Revier verteidigen und vagabundierende Jungkrähenschwärme vertreiben.
Zurück zum Krähenfleisch. Wie kocht man so eine Suppe?
Auf jeden Fall mit viel Saisongemüse. Die Schlegel kochen mit, das Brüstchen werde ich separat anbraten und zum Schluss dazugeben. Und ich werde in Baden in meinem alten Kupferwäschehafen Krähensuppe kochen und zum Probieren anbieten.
Kürzlich forderten Sie den Zwangsabschuss streunender Katzen. Würden Sie auch diese essen?
Rezepte gäbe es genug, aber da hätte ich wohl mehr Mühe. Die verwahrlosten, abgemagerten Katzen, um die es bei dem parlamentarischen Vorstoss eigentlich ging, dürften ohnehin nicht besonders schmecken! Aber vor einigen Jahren habe ich als Programmier bei den Rotariern ein Fuchsessen veranstaltet. Ich fand es falsch, die Tiere einfach in die Kadaververwertung zu bringen. Der Starkoch, der einen super Fuchspfeffer zubereitete, meinte: «Das Problem ist nicht auf dem Teller, sondern im Kopf!»
Es geht uns zu gut: Der Sohn eines Bahnstreckenwärters sagte mir einmal: «Wir hatten zuhause kein Geld, um Fleisch zu kaufen. Wir assen, was auf der Schiene lag!» Rehe mussten abgegeben werden, aber Katzen, Hunde, Füchse und Igel wurden selbstverständlich gegessen.
So clever sind Krähen
«Würde keine Krähe essen»
Gegen den Abschuss von Krähen stellt sich Vanessa Gerritsen von der Stiftung Tier im Recht: «Es besteht die Gefahr, dass die cleveren Tiere leiden, wenn sie nicht sauber getroffen werden.» Das Problem sei, dass es immer weniger Lebensraum für Wildtiere gebe, weshalb es zu Konflikten komme – egal ob beim Wolf, dem Biber oder eben der Krähe. «Der Abschuss ist immer die einfachste, aber nicht die beste Lösung.» Persönlich würde sie auch keine Krähe essen. Aus ethischer Sicht sei aber der Abschuss das grössere Problem.