Schlechtes Image: Krankenschwestern gelten als doof und sexy

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Schlechtes ImageKrankenschwestern gelten als doof und sexy

Pflegefachfrauen sind immer wieder herablassenden Kommentaren ausgesetzt. Jetzt wehren sie sich – und werden von Politikern unterstützt.

von
B. Zanni
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Sie habe gar nicht gewusst, dass sie «nur eine Krankenschwester» sei, meinte eine Bekannte, die Krankenschwester Caitlin Brassington nach ihrer Schicht in einem Supermarkt zufällig traf.

Sie habe gar nicht gewusst, dass sie «nur eine Krankenschwester» sei, meinte eine Bekannte, die Krankenschwester Caitlin Brassington nach ihrer Schicht in einem Supermarkt zufällig traf.

Screenshot/Facebook
Auch in der Schweiz müssen Krankenschwestern immer wieder abschätzige Kommentare über sich ergehen lassen.

Auch in der Schweiz müssen Krankenschwestern immer wieder abschätzige Kommentare über sich ergehen lassen.

/Andia
«Ihr scharfer  Verstand wird wenig gewürdigt», sagt Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK. Stattdessen fielen Kommentare wie «Warum bist du nur Krankenschwester?» oder «Hast du nicht Arzt werden wollen?».

«Ihr scharfer Verstand wird wenig gewürdigt», sagt Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK. Stattdessen fielen Kommentare wie «Warum bist du nur Krankenschwester?» oder «Hast du nicht Arzt werden wollen?».

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Kürzlich huschte Caitlin Brassington nach einer anstrengenden Schicht in den Supermarkt. Sie habe gar nicht gewusst, dass sie «nur eine Krankenschwester» sei, meinte die Bekannte, die Brassington dort zufällig und erstmals in ihrer Berufskleidung antraf. Ein weiteres Mal wollte die australische Pflegefachfrau aber nicht auf den Mund sitzen. Im Video «Just a nurse», das sich in den sozialen Medien wie ein Lauffeuer verbreitet, macht sie ihrem Ärger über die geringschätzigen Bemerkungen gegen ihren Berufsstand Luft: «Wow! In meiner 18-jährigen Karriere habe ich diesen Satz viele, viele Male gehört, aber heute hat es mich getroffen. Bin ich nur eine Krankenschwester?» Dann zählt sie akribisch auf, was sie alles leistet (siehe Box).

Auch in der Schweiz müssen Krankenschwestern immer wieder abschätzige Äusserungen über sich ergehen lassen. «Ihr scharfer Verstand wird wenig gewürdigt», sagt Yvonne Ribi, Geschäftsführerin des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK. Stattdessen fielen Kommentare wie «Warum bist du nur Krankenschwester?» oder «Hast du nicht Arzt werden wollen?».

Haben Sie Menschen erlebt, die sich über Ihren Beruf abwertend geäussert haben? Dann melden Sie sich hier, um von Ihren Erfahrungen zu erzählen:

Sogar Ärzte äusserten sich teilweise herablassend. «Als eine Pflegefachfrau in einem Notfall einem Arzt am Telefon angeben wollte, was sie über den Zustand des Patienten denke, sagte der Arzt: ‹Du bist nicht zum Denken da.›»

«Nur die Affäre des Arztes»

Ribi beobachtet zudem, dass die Pflegefachfrau oft auf die Sexualität reduziert wird. «Googelt man Krankenschwester, stösst man auf lauter Models in sexy Krankenschwester-Uniformen.» Auch TV-Serien werteten den Beruf ab. «In Grey's Anatomy spielt die Pflege überhaupt keine Rolle. Kommen Pflegende vor, dann höchstens als Affäre des Arztes.»

Die Arbeit werde zu Unrecht geringgeschätzt. «Sie übernehmen jede Stunde mehr Verantwortung als ein Bankdirektor in einer Woche.» Pflegefachpersonen müssten innert Kürze eine Situation einschätzen können.

Laut dem Versorgungsbericht der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren mangelt es pro Jahr an über 3000 ausgebildeten Pflegefachpersonen. Um den Bedarf abzudecken, wären doppelt so viele nötig. Für Ribi steht fest: «Das schlechte Image schreckt viele junge Frauen ab.» Der Beruf der Pflegefachfrau müsse dringend eine Aufwertung erfahren.

«Nur Rückständige sagen so etwas»

Auch Nationalrätin Bea Heim (SP) ortet Handlungsbedarf. Früher hätten Klosterfrauen Patienten gratis gepflegt. «Offenbar glauben einige Menschen noch, Pflegefachpersonen gingen einer selbstlosen Tätigkeit im Sinn eines Hilfsberufes nach, was ihrer grossen Verantwortung nicht gerecht wird.» Um die verdiente Wertschätzung zu erhalten, gelte es, den Beruf als eigenverantwortliche Tätigkeit anzuerkennen.

Heim fordert etwa, dass die Fachleute einen Teil ihrer Leistungen selbständig erbringen und direkt über die Krankenversicherung abrechnen können. Im Januar lanciert der SBK auch die Unterschriftensammlung für eine entsprechende Volksinitiative. Denn heute muss der Arzt sämtliche pflegerische Leistungen anordnen.

Nationalrat Sebastian Frehner (SVP) hingegen hat den Eindruck, dass die Wertschätzung für den Beruf stark zugenommen hat. «Geringschätzige Kommentare lassen heute nur noch rückständige Leute fallen.» Das Bundesamt für Gesundheit mit einer weiteren Kampagne zu beauftragen, wäre völlig übertrieben. Das autonome Arbeiten unterstützt er jedoch. «Denn es macht keinen Sinn, wenn Ärzte in Bereichen Entscheide treffen, von denen sie nichts verstehen.»

Mit dem Video will Caitlin Brassington aufrütteln:

Caitlin Brassington sagt, sie sei «nur eine Krankenschwester», obwohl sie:

-Geholfen hat, Babys auf die Welt zu bringen, von denen viele beim ersten Atemzug Hilfe brauchten.

-Die Hände von Patienten gehalten und dafür gesorgt hat, dass sie während ihres letzten Atemzugs ihre Würde bewahren konnten.

-Trauernden Eltern nach dem Verlust eines Kindes beigestanden hat.

-Patienten wiederbelebt hat.

-Die Augen, Ohren und Hände des Arzts ist, die Krankheiten erkennen, heilen und in den Griff bekommen können.

-Jedes Lungenfeld eines Säuglings abhorchen und Probleme erkennen kann.

-Patienten und Auszubildende lehren kann.

-Der Anwalt ihrer Patienten in einem Gesundheitssystem ist, in dem deren Interessen nicht immer an erster Stelle stehen.

-Weihnachten, die Geburtstage ihrer Kinder und Schulaufführungen verpasst hat, um für die Liebsten anderer da zu sein.

-Blut abnehmen, Kanülen setzen und Wunden nähen kann.

-Einen Herzstillstand behandeln kann.

-Die für das Gewicht eines Kindes passende Dosis von Adrenalin oder Amiodaron nennen kann, um es wiederzubeleben.

-Die Erfahrung und das Wissen hat, um Leben zu retten.

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