Posttraumatische BelastungsstörungKranker SKH-Helfer nach Einsatz in Stich gelassen
Ein heute 44-jähriger Mann half weltweit als Katastrophenhelfer des Bundes Menschen in Not. Für seine Einsätze zahlt der Helfer jedoch einen hohen Preis.
- von
- qll
Weihnachten 2004: Über 150'000 Menschen werden durch einen der schlimmsten Tsunamis allein in Indonesien getötet. Der Schweizerische Korps für Humanitäre Hilfe (SKH) des Bundes sendet Helfer aus. Mit dabei: ein damals 29-jähriger gelernter Speditionskaufmann, der den Menschen in Not helfen wollte.
Als er in Banda Aceh im Januar 2005 ankam, sei es vor Ort «wie nach einem Atombombenabwurf gewesen», sagt der heute 44-Jährige gegenüber der «Schweiz am Wochenende». «Wir erhielten Masken mit einer riechenden Crème gegen den Leichengestank. Wenn Tote am Boden lagen, versuchte ich wegzuschauen. Aber die Leichensäcke und die Massengräber waren überall.»
Posttraumatische Belastungsstörung
Der Einsatz in Indonesien war sein erster. Innerhalb von zehn Jahren wurde er zu über einem Dutzend Auslandsmissionen aufgeboten (siehe Bildstrecke). Die Einsätze zehrten an dem Mann. So sehr, dass ab 2017 nichts mehr ging. Die Diagnose: posttraumatische Belastungsstörung. Wie die Zeitung schreibt, sind sich Psychiater und Psychotherapeuten einig, dass die fast 300 Diensttage für die humanitäre Hilfe den Mann krank gemacht haben.
Der Helfer meldete seinen Krankheitsfall dem SKH und der von der Suva geführten Militärversicherung. SKH-Angehörige haben bei Unfällen und Krankheiten hier Anspruch auf Leistungen.
Wie die «Schweiz am Sonntag» weiter schreibt, hat der Konsiliarpsychiater der Versicherung bestätigt, dass die postraumatische Beschwerden in Zusammenhang «mit den Einsätzen in Indonesien im Jahr 2005 sowie mit den vielen späteren Auslandeinsätzen» stünden. Dessen Schilderungen bezeichnete der Konsiliarpsychiater als «ausgesprochen differenziert, konkret, präzise und glaubhaft.» Seine Empfehlung: eine «mehrmonatige, komplette Entlastung der Arbeitstätigkeit».
Absage der Versicherung
Der Mann beantragte bei der Militärversicherung Krankentaggeld sowie die Übernahme der weiterlaufenden Fixkosten. Für sein eigenes Geschäft musste er eine Aushilfe einstellen.
Im Herbst erhielt der Helfer von der Militärversicherung jedoch einen negativen Bescheid: Diese will die Behandlungskosten nicht übernehmen und auch das Krankentaggeld nicht bezahlen. Der Grund: Es gebe «keinen adäquaten Kausalzusammenhang» zwischen den Einsätzen in Katastrophengebieten und der posttraumatischen Belastungsstörung.
Weil er kein Geld für einen Anwalt hatte, erhob der SKH-Helfer gegen die Verfügung selbst Einsprache. Bis heute ist er weiterhin arbeitsunfähig, erhält kein Krankentaggeld und seinem Geschäft droht der Konkurs, da er keine finanzielle Mittel für die Aushilfe gestellt bekommt.
«Es gab bei mehreren Personen starke Reaktionen»
Gegenüber der «Schweiz am Sonntag» wollte die Militärversicherung diesen Fall aufgrund des laufenden Verfahrens nicht kommentieren. Beim Aussendepartement heisst es jedoch, dass das Wohlergehen der SKH-Mitglieder oberste Priorität habe. Weiter räumt das Amt ein, dass die Helfer sehr oft Extremsituationen ausgesetzt seien und: «Nach dem Tsunami 2004 – einer Jahrhundert-Katastrophe – gab es bei mehreren Personen starke Reaktionen.» Posttraumatische Belastungsstörungen würden «glücklicherweise» sehr selten auftreten.
Das EDA habe sich im Zusammenhang mit dem vorliegenden Fall «mehrmals schriftlich an die Militärversicherung gewandt und dieser die teilweise sehr schwierige und belastende Natur der Einsätze des SKH dargelegt».
Die Suva hat dem SKH-Helfer mitgeteilt, dass die Behandlung seiner Einsprache noch bis zu einem Jahr dauern könnte.