Reichen Luftschläge aus?Krieg gegen IS spaltet Obama und seine Militärs
Generäle und frühere Pentagon-Chefs zweifeln an den Erfolgschancen der Obama-Strategie gegen den Islamischen Staat. Streitpunkt Nummer eins: der Einsatz von Bodentruppen.
- von
- Martin Suter ,
- New York
Bald zwei Wochen nach der Lancierung durch US-Präsident Barack Obama sind die Bedenken über die amerikanische Offensive gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nicht verflogen. Im Gegenteil: Über das Wochenende meldeten sich zwei hochkarätige Ex-Minister mit kaum verhaltener Kritik zu Wort. Die Kluft zwischen dem als Kriegsgegner angetretenen Präsidenten und den Experten fürs Militärische scheint sich auszuweiten.
Die neusten gewichtigen Stimmen gehören zwei Ex-Verteidigungsministern. Der Republikaner Robert Gates war Obamas Pentagon-Chef von 2009 bis Mitte 2011; auf ihn folgte bis Anfang 2013 Leon Panetta, ein Demokrat. Panetta schob die Schuld für das Erstarken des IS dem Weissen Haus zu. «Ich hielt es für wichtig, dass wir eine Präsenz im Irak aufrechterhalten», sagte er in einem Interview der CBS-Sendung «60 Minutes». Zudem hätte Obama den Rebellen in Syrien mehr Unterstützung zukommen lassen müssen. Entgegen dem Ratschlag Panettas zog Obama sämtliche US-Truppen aus dem Irak ab und verwarf militärische Hilfe an gemässigte Oppositionsgruppen in Syrien.
Das Ziel sei zu hoch gesteckt
Die gleiche Haltung wie Panetta nimmt Gates ein. Zusätzlich kritisierte er am Sonntag im ABC-Fernsehen Obamas Ziel, den IS letztlich zu zerstören, als unrealistisch. Das sei eine «sehr ehrgeizige Mission», sagte Gates. «Stattdessen müsste es das Ziel sein, als Erstes den IS aus dem Irak hinauszudrängen, ihm einen Ort zu verweigern, wo er permanent Fuss fassen kann.»
Differenzen zum Präsidenten hatten in der Vorwoche auch amtierende Militärs markiert. Generalstabschef Martin Dempsey sagte vor dem Kongress, falls es die Situation am Ort erfordere, würde er den Einsatz amerikanischer Bodentruppen empfehlen. Raymond Odierno, der Kommandant der US Army, mochte dies in einer Diskussion in Wiesbaden ebensowenig ausschliessen. «Man muss Bodentruppen haben, die ihn verfolgen und ausrotten können», sagte er. Dass irakische Truppen dazu in der Lage sein könnten, schien er zu bezweifeln.
Misstrauen schon im ersten Amtsjahr
Bisher hat Obama nicht auf die Meinungsäusserungen reagiert. Wie der frühere Präsidentenberater David Gergen auf der CNN-Website nachzeichnet, ist Obama nicht zum ersten Mal misstrauisch gegenüber den Uniformierten. Im ersten Amtsjahr fühlte er sich von den Generälen dazu gedrängt, mehr Truppen nach Afghanistan zu schicken, als er wollte. Dann verlangten sie von ihm, Soldaten im Irak zu belassen. Laut Gergen befürchtet Obama nun, dass die Generäle aus Versehen Unschuldige bombardieren, was den Zusammenhalt der Koalition gefährden könnte.
Umgekehrt passt es den Generälen nicht, dass Obama offenbar in Syrien jeden Luftschlag einzeln befehlen möchte. Solches Mikromanagement habe auch das Weisse Haus von Lyndon Johnson versucht, und die Ergebnisse in Vietnam seien katastrophal gewesen, erzählt Gergen. Die Generäle fürchten, Obama werde ihre Hände so sehr binden, dass die Mission scheitern könnte.
Schlechter Werbeeffekt
Nach aussen vermittelt das Gerangel zwischen Politik und Militär den Eindruck der Uneinigkeit und Unentschlossenheit. Kein Wunder, hat Obama Mühe, andere Nationen als Partner in seinem Feldzug gegen den IS zu verpflichten.