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Egli wird barschKrieg und Frieden in Stuttgart

Goebbels zitiert Geissler, äh, umgekehrt, und bringt damit alles durcheinander – hoch und tief, gut und schlecht, de Föifer und s Weggli. Eine Glosse von Lukas Egli.

«Wollt ihr den totalen Krieg?» Der Schlichter im Streit um «Stuttgart 21», CDU-Urgestein Heiner Geissler, zitiert Joseph Goebbels. Die Reaktionen lassen vermuten: Ja, sie wollen.

«Wollt ihr den totalen Krieg?» Der Schlichter im Streit um «Stuttgart 21», CDU-Urgestein Heiner Geissler, zitiert Joseph Goebbels. Die Reaktionen lassen vermuten: Ja, sie wollen.

Eigentlich wollte Joseph Goebbels ja nur helfen. Er wollte die Leute an einen Tisch bringen, einen Kompromiss schliessen. Er wollte den Stuttgartern im Streit um den neuen Hauptbahnhof eine «Schweizer Lösung» schmackhaft machen. Schweizer Lösung heisst, wie immer: de Föifer und s Weggli. Tiefbahnhof und Kopfbahnhof. Schnell und langsam. Modern und ewiggestrig. Ausgewogen und fair – wie man Goebbels eben kennt.

Aber der Germane versteht ja den wahren Wert eines feinen Weggli nicht, und der Fünfer ist ihm eigentlich auch zu wenig. So maulte er nur immer weiter rum, protestierte demonstrativ und unentwegt gegen «Stuttgart 21», schlug munter weiter auf Polizistenköpfe ein. Bis dem Joseph Goebbels der Kragen platzte. «Wollt ihr den totalen Krieg?», fragte er friedensstiftend zum Abschluss seiner Schlichtung am vergangenen Freitag.

«Kräääg?» Diese Sprache wiederum versteht unser nördlicher Nachbar auf Anhieb. Sofort gingen die jahrelang hochgerüsteten Entrüstungssturmtruppen ans Werk, wenige Stunden später wurde zurückgeschossen: Von «peinlich» bis «Opferverhöhnung» lauteten die Taktiken, «Eine Entschuldigung – und zwar schnell!», wurde gut preussisch gefordert. Nein, das war kein Waffenstillstandsangebot.

Wer könnte in Deutschland je das berühmte Zitat des ehemaligen CDU-Generalsekretärs Heiner Geissler vergessen! Und wer würde es wagen, es öffentlich je wieder zu verwenden! Wie senil ist der 81-jährige Goebbels eigentlich schon, einst besonnenes und unbestechliches Gewissen einer orientierungslosen Nation?

Joseph Goebbels wollte Frieden sähen – und hat Krieg geerntet. Den Stuttgarter Streithähnen ists nur recht: Gemeinsam ziehen die schwäbischen Falken nun gegen die altersschwache Friedenstaube ins Feld, angeführt vom öffentlich-rechtlichen Propagandasender: «War es ihre Absicht, die Wortwahl der Nazis zu verharmlosen?», knatterte «Deutschland Radio» live am Telefon ein Halbdutzendmal auf den armen alten Mann ein. Goebbels ein Nazi? Aber Hallo – auch das gab zu reden!

Dass derselbe Goebbels in derselben Radiosendung gesagt hatte: «Unser Baurecht ist falsch, unser Raumordnungsverfahren ist falsch. All das führte dazu, dass die Leute nicht beteiligt werden» – will keiner hören. Wollte von Anfang keiner hören. Denn: Ja, Stuttgart will den totalen Krieg! Kompromisse – das ist doch was für Schweizer.

Mittlerweile hat sich auch der Teufel – wie Goebbels CDU-Mitglied – in die Schlacht eingeschaltet. «Ich schweige nicht länger!», rief der Ex-Ministerpräsident von Baden-Württemberg vor Senioren. Murmelnde Zustimmung. Wie Teufels Rede genau weiterging, ist nicht überliefert. Interessierte keinen. Wie hatte doch Goebbels in Stuttgart gemahnt: «Man muss gehört werden, sonst schlafen die Leute ein.»

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