Drohender KollapsKrisenländer wenden sich China zu – jetzt wankt die US-Vormachtstellung
Sri Lanka war erst der Anfang. 107 Ländern droht eine Wirtschaftskrise. Jetzt suchen sie Alternativen zum Westen.
Darum gehts
Sri Lanka steckt tief in der Schuldenkrise. Der Staatsbankrott führte im Juli zu schweren Unruhen. Doch Sri Lanka ist erst der Anfang. 107 Länder seien derzeit akut von einer wirtschaftlichen Katastrophe bedroht, wie das Swiss Institute for Global Affairs (SIGA) unter Bezug auf eine Auswertung der Vereinten Nationen mitteilt.
Besonders gross sei die Gefahr in Ländern wie dem afrikanischen Simbabwe oder Suriname in Südamerika. Sie seien zahlungsunfähig, sagt Remo Reginold vom Think Tank SIGA zu 20 Minuten (siehe Weltkarte in Bildstrecke oben).
Krisenländer wenden sich vom Westen ab
Fürs Schweizer Volk hätten die Krisen kaum Auswirkungen, aber die Migration aus diesen Ländern werde wohl stark zunehmen. Die Folgen für die Krisenländer seien aber dramatisch: «Die Gesellschaften stehen wegen hoher Nahrungs- und Energiekosten kurz vor dem Kollaps und die Regierungen erhalten kaum noch Kredite», sagt Reginold.
Auch Sri Lanka bekam keine Kredite von der Weltbank, die ihren Sitz in Amerika hat. Dafür hätte Sri Lanka strenge Kriterien erfüllen müssen. Jetzt hofft das Land auf China. Immer mehr Länder wendeten sich von westlichen Institutionen wie der Weltbank ab, so Reginold. «Nicht alle profitierten so wie der Westen von der liberalen Wirtschaftsordnung. Deshalb suchen sie jetzt Alternativen.»
«Das Weisse Haus wirkt unbeholfen»
China laufe den USA zunehmend die Vormachtstellung ab, so Reginold. Das zeige die Nervosität rund um den Besuch der US-Politikerin Nancy Pelosi in Taiwan. «Das Weisse Haus wirkt ziemlich unbeholfen. Das zeigt, dass China fähig ist, die Welt zu steuern», so Reginold. Der Staatsbesuch in Taiwan sollte am Dienstagabend stattfinden, doch China erkennt das Land nicht an und sieht in Pelosis Besuch eine Provokation.
Laut China-Experte Moritz Freiherr Schenck von der Beratungsfirma Deloitte hätte China die USA wirtschaftlich schon überholen können. «Die Corona-Shutdowns der vergangenen zwei Jahre in China haben dazu geführt, dass die Ablösung der Weltmacht länger dauert als erwartet.» Darunter habe auch Chinas milliardenschweres Infrastrukturprojekt gelitten (siehe Box).
Seidenstrassen-Projekt
Die nächste Bewährungsprobe wird laut Reginold der Kampf um den Einfluss in Pakistan sein. Die militärische Elite der Atommacht sei mit den USA verbündet, gleichzeitig werde das Land finanziell und infrastrukturtechnisch von China unterstützt.
In Afrika stehen China und Russland laut Reginold in der Poleposition. «China präsentiert sich beispielsweise als Grossinvestor bei ägyptischen Bauprojekten oder im tunesischen Gesundheitssystem», so Reginold. Dazu sei Ägypten der grösste Abnehmer von russischem Weizen und biete sich dem Land im Gegenzug als Tor zu Afrika an.
Kann China die USA als einzige Weltmacht ablösen?
China konnte viele Länder überzeugen. Der Staatenbund Brics mit China, Brasilien, Indien, Russland und Südafrika wächst. Argentinien, Algerien, Ägypten, Saudiarabien, die Türkei und der Iran wollen sich diesem anschliessen.
Die Schweiz müsse sich nun zwischen den USA und China positionieren. Dabei könne sie von China lernen, das in Indien einen Erzfeind sehe, in wirtschaftlichen Fragen aber mit dem Land zusammenarbeite. «Die USA sind gegen die Geschäfte der Schweizer Firmen in China, aber diesem Druck müssen wir standhalten. Gleichzeitig müssen wir hinterfragen, ob wir alle unsere Waren aus China beziehen müssen», so Reginold.
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