Kühne Eisträume: «Künstlicher Gletscher? Kaum möglich»

Aktualisiert

Kühne Eisträume«Künstlicher Gletscher? Kaum möglich»

Ein Deutscher will auf dem Klein-Matterhorn einen künstlichen Gletscher züchten. Geht das überhaupt? Eine Einschätzung des ETH-Glaziologen Martin Funk.

Professor Martin Funk betreibt seit Jahren Gletscher-Grundlagenforschung. Im Interview mit Studenten der ZAHW Winterthur verrät er, was die Probleme bei der künstlichen Züchtung von Gletschern sind. (Bild: Schweizerischer Nationalfonds)

Professor Martin Funk betreibt seit Jahren Gletscher-Grundlagenforschung. Im Interview mit Studenten der ZAHW Winterthur verrät er, was die Probleme bei der künstlichen Züchtung von Gletschern sind. (Bild: Schweizerischer Nationalfonds)

Ist die Gletscherschmelze bald passé? Wenn die Idee des deutschen Wissenschaftlers Eduard Heindl aufgeht, könnten die Gletscher in der Schweiz gerettet werden. Mittels einfachen Sprinklern will er künstliche Gletscher züchten. Statt eines Rasens wird damit das noch vorhandene Eis bewässert. «Dank dieser simplen Idee wird keine Energie zur Gefrierung benötigt», erklärt der Erfinder Eduard Heindl. Und tatsächlich: Im Schwarzwald hatte er mit seiner Methode bereits Erfolg. Nun will er zusammen mit den Bergbahnen Zermatt auch in der Schweiz einen Versuch starten. Im Interview verrät der Glaziologe Martin Funk, Leiter der Abteilung für Glaziologie an der ETH Zürich, welche Chancen das Projekt tatsächlich hat und inwieweit sich damit die verheerenden Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung in den Alpen eindämmen lassen.

Was halten Sie von der künstlichen Gletscherzucht, die bald auch in der Schweiz durchgeführt werden soll?

Professor Martin Funk:Das Projekt mit diesen Sprühdüsen ist nicht realistisch. Das Problem liegt beim Wasser, das gefrieren soll. Gefrierbedingungen haben Sie nicht unbedingt dann, wenn Wasser verfügbar ist: Im Sommer, wenn genügend Wasser vorhanden wäre, bringt man es unter diesen Bedingungen nicht zum Gefrieren. Und im Winter hat es schlichtweg kein Wasser oder es ist sehr schwierig, an Wasser ranzukommen.

Welche Ansätze gibt es, um das Projekt trotz der Schwierigkeiten umzusetzen?

Unter natürlichen Umständen wird dies kaum möglich sein. Man müsste das Wasser irgendwoher zum Gletscher hinaufpumpen, wofür man wiederum sehr viel Energie benötigt. Schliesslich verliert man die Energie, die durch die Ineffizienz der Anlage entsteht.

Abgesehen vom Wasserproblem: Ist das Projekt möglich?

Wenn die Wasserzufuhr gelingt, ist das Projekt definitiv umsetzbar. Nur ist es aber ein wenig utopisch, denn das Wasser entscheidet über Gelingen oder Scheitern des Projektes.

Was für Alternativen gibt es, um den Gletscherrückgang zu reduzieren?

Man kann den Gletscher abdecken. Das ist bestimmt effizienter als das Wasser-Projekt. Die lokale Abdeckung funktioniert sehr gut und wird aktuell auf Gletschern bei Laax, Andermatt oder Verbier durchgeführt. Aber es ist nicht realistisch, ganze Gletscher mit Folie abzudecken. Dies ist einerseits eine Kostenfrage und andererseits auch logistisch nicht unproblematisch: Die Folien müssen im Sommer auf dem Gletscher befestigt und vor dem Winter wieder entfernt werden, da sie unter dem Neuschnee verloren gehen könnten.

Eine weitere Alternative ist der sogenannte Windfang. Wie schätzen Sie diese Methode ein?

Das ist ein Blödsinn! Das bringt ganz sicher überhaupt nichts. Die Idee ist, den kalten Wind, der über den Gletscher bläst, über dem Gletscher zu stoppen. Dadurch soll eine Art 'Kalt-Luft-See' hinter diesen Windfängen entstehen, welche wiederum die Gletscherschmelze verringert. Aber Hauptursache für das Gletscherschmelzen ist die Sonnenstrahlung. Und da diese Windfänge die Sonneneinstrahlung kaum beeinflussen, ist die Windfang-Methode unwirksam.

Auch Kühlaggregate unter dem Gletscher sollen die Schmelze verringern. Wie stufen Sie diese Idee ein?

Ich weiss nicht genau, wie man diese Kühlaggregate unter dem Gletscher installieren will. Aber angenommen, das wäre realisierbar, dann würde der Gletscher von unten her gekühlt. Das hiesse, dass das von oben nach unten fliessende Schmelzwasser in der Tiefe des Gletschers anfrieren würde. Aber das wäre ein komischer Gletscher… Sicher ist: Die Gletscherschmelze wird durch die Kühlaggregate unter dem Gletscher nicht reduziert, da sie durch die Sonnenstrahlung an der Oberfläche entsteht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Methode sinnvoll ist.

Welche wirksame Methode würden Sie empfehlen?

Das Beste wäre natürlich, klimatisch zu operieren und den Schaden, den wir täglich anrichten, wenigstens zu reduzieren.

Inwiefern hat die Gletscherschmelze in der Schweiz Auswirkungen auf den Tourismus?

Das hat sicher grosse Auswirkungen. Nur schon auf die Sommer-Skigebiete. Davon werden in Zukunft nur wenige übrig bleiben. Zudem wird eine Landschaft ohne Gletscher anders aussehen und deshalb bestimmt den Tourismus beeinflussen. Auch die aktuellen Gletscherwanderungen werden durch den Gletscherrückgang erschwert. Man war ja bereits gezwungen, einige Zugänge zu Hütten aufgrund des Gletscherrückgangs anzupassen. Die Gletscherschmelze in der Schweiz würde also eine ganze Serie von Anpassungen mit sich bringen.

Über die Autoren

Der Artikel ist im Rahmen einer Werkstatt des Institut für Angewandte Medienwissenschaft enstanden. Priska Plump, Manuel Bucher und Jigme Garne sind Journalismus-Studenten und für 20 Minuten Online dem Thema nachgegangen. Sie haben auch dieses Interview in Text und Video verfasst.

Über Professor Funk

Martin Funk ist Leiter der Abteilung für Glaziologie an der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie & Glaziologie an der ETH Zürich. Er kennt die Gletscherwelt rund um Zermatt sehr gut. Zusammen mit Kollegen hat der ETH-Forscher bereits 2005 ein umfangreiches Messdispositiv auf dem Gornergletscher eingerichtet.

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