Schweiz: «Lage ist prekär» – vor der Grippesaison gehen uns die Medikamente aus

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Schweiz«Lage ist prekär» – vor der Grippesaison gehen uns die Medikamente aus

In der Schweiz fehlen Hunderte Medikamente, darunter Hustensirup, Nasensprays und Ohrentropfen. Apotheker schlagen Alarm. 

Thomas Obrecht
Tim Haag
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Thomas Obrecht
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«Es ist das erste Mal, dass wir wenig bis gar kein Neocitran vor dem Start der Grippesaison haben», sagt Anita Spycher, Sprecherin bei der Genossenschaft der Toppharm-Apotheken. 

«Es ist das erste Mal, dass wir wenig bis gar kein Neocitran vor dem Start der Grippesaison haben», sagt Anita Spycher, Sprecherin bei der Genossenschaft der Toppharm-Apotheken. 

20min/Matthias Spicher
«Die aktuelle Medikamentenversorgung ist schweizweit schwierig. In meinen 30 Jahren als Apothekerin habe ich noch nie eine Mangellage wie diese erlebt», sagt Lydia Isler-Christ, Präsidentin des Baselstädtischen Apotheker-Verbandes.

«Die aktuelle Medikamentenversorgung ist schweizweit schwierig. In meinen 30 Jahren als Apothekerin habe ich noch nie eine Mangellage wie diese erlebt», sagt Lydia Isler-Christ, Präsidentin des Baselstädtischen Apotheker-Verbandes.

20min/Simon Glauser
Unangenehm findet sie, dass dieses Jahr bereits sehr viele Kundinnen und Kunden vor dem Start der Grippesaison erkältet seien und es jetzt schon an diversen Produkten mangle.

Unangenehm findet sie, dass dieses Jahr bereits sehr viele Kundinnen und Kunden vor dem Start der Grippesaison erkältet seien und es jetzt schon an diversen Produkten mangle.

20min/Matthias Spicher

Darum gehts

  • Engpässe bei den Medikamenten sorgen für eine angespannte Versorgungslage in der Schweiz. 

  • Gemäss Experten sind die Gründe für die Knappheit unterschiedlich. 

Leere Regale in den Apotheken: Der Medikamentenengpass spitzt sich kurz vor dem Start der Grippesaison weiter zu. «Es ist das erste Mal, dass wir wenig bis gar kein Neocitran vor dem Start der Grippesaison haben», sagt Anita Spycher, Sprecherin bei der Genossenschaft der Toppharm-Apotheken. 

«Die aktuelle Medikamentenversorgung ist schweizweit schwierig. In meinen 30 Jahren als Apothekerin habe ich noch nie eine Mangellage wie diese erlebt», sagt auch Lydia Isler-Christ, Präsidentin des Baselstädtischen Apotheker-Verbandes. Unangenehm findet sie, dass dieses Jahr bereits sehr viele Kundinnen und Kunden vor dem Start der Grippesaison erkältet seien und es jetzt schon an diversen Produkten mangle.

Gemäss Isler-Christ fehlen Hunderte Medikamente, darunter Schmerzmittelsirup, Hustensirup, Nasensprays und Ohrentropfen. Auch wenn es für gewisse Produkte Alternativen gibt, sagt die Apothekerin: «Wenn alle Kunden auf Alternativprodukte wechseln müssen, wird es nicht lange dauern, bis auch diese ausgehen.»

«Die Lage ist prekär»

Auch Natalia Blarer vom Apothekerverband des Kantons Zürich sagt: «Die Lage ist prekär.» So fehlen bei den Erkältungs- und Grippemitteln diverse kombinierte Grippemittel wie Hustenmittel oder Halswehlutschtabletten. Noch prekärer sei die Situation beim Antibiotikum Amoxicillin, entzündungshemmenden Schmerzmitteln wie Ponstan oder Ibuprofen in flüssiger Form für Kinder.

Gemäss Stefan UIlmann, Präsident der Apotheken Thurgau, fehlen derzeit 765 Packungen in Form von Tabletten, Sirups und Sprays, betroffen sind 324 Wirkstoffe. Anders als in früheren Jahren seien es nicht spezifische, sondern im Alltag gebräuchliche Medikamente, die fehlten. Konkrete Wirkstoffe möchte er nicht nennen, um Hamsterkäufe zu vermeiden. «Damit würden jene Personen ohne Medikamente bleiben, die sie am meisten brauchen», so Ullmann.  

Nachfrage nach Fiebersäften viermal höher

Gründe für die Knappheit sind unterschiedlich. Gemäss dem Schweizerischen Apothekerverband Pharmasuisse ist beispielsweise die Nachfrage nach Fiebersäften für Kinder momentan bis zu viermal höher als sonst. Für diesen Anstieg ist laut Sprecherin Martina Tschan eine Welle von RSV-Infektionen verantwortlich, da die Kinder während der Pandemie weniger mit Viren in Kontakt waren. Das RS-Virus kann bei Kindern akute Bronchitis hervorrufen und sorgt derzeit für eine hohe Auslastung in Kinderspitälern.

Hinzu komme der Abbruch der Lieferketten, verursacht durch die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg oder die Energiekrise: «Es fehlt beispielsweise an Karton für die Verpackung oder an Alufolie für die Verblisterung von Tabletten», sagt Tschan.

Aufgrund der angespannten Versorgungslage rät die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) besonders Risiko-Personen zur Grippeimpfung. Ausserdem empfiehlt sie das Tragen eines Mundschutzes und regelmässiges Desinfizieren der Hände. Personen mit Erkältungssymptomen und Fieber sollen zu Hause bleiben, um Ansteckungen zu minimieren.

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