GP von Aragon: Lausbub schlägt Champion

Aktualisiert

GP von AragonLausbub schlägt Champion

In seinem 126. GP ist Tom Lüthi (24) beim GP von Aragon zum ersten Mal von einem Schweizer besiegt worden. Dominique Aegerter (19) ist der neue Schweizer Töff-Held. Aber kein neuer Lüthi.

von
Klaus Zaugg
Alcaniz
Dominique Aegerter holt mit Rang 7 sein bestes Karriere-Resultat.

Dominique Aegerter holt mit Rang 7 sein bestes Karriere-Resultat.

Beide gehören in der zweitwichtigsten Motorradrennsportklasse der Welt zu den Besten. Aegerter beendete das Moto2-Rennen beim GP Aragon auf Platz 7, Lüthi auf Rang 10. Beide sind im ländlichen Herzland der Schweiz, im Emmental, aufgewachsen. Lüthi am südlichen Rand, dort wo die Hügel des Emmentals übergehen in die Bergwelt des Berner Oberlandes. Aegerter am anderen Ende, dort wo die Hügel des Emmentals ins fruchtbare Mittelland auslaufen. Beide sind geerdete Naturburschen. Lüthi ist auf einem Bauernhof in Linden aufgewachsen, Aegerter als Sohn eines Garagisten in Rohrbach bei Langenthal. Lüthi ist Oberemmentaler, Aegerter Unteremmentaler.

So ähnlich die Herkunft auch sein mag - als Rennfahrer unterscheiden sie sich grundsätzlich. Lüthi ist der sensible, hochtalentierte Stilist. So feingliederig im Körperbau, das bisweilen seine mentale Stärke unterschätzt wird. Er ist fraglos talentierter als sein Bezwinger und ein Champion: 2005 Weltmeister in der 125er-Klasse. Er hat Aegerter etwas voraus: Er weiss, wie man Rennen und eine WM gewinnt. Das wissen bis am Ende einer Karriere nur ganz, ganz wenige Fahrer.

Zweikampf kann Aegerter nicht gewinnen

Aegerter ist ein kräftiger, energiegeladener bisweilen zu lausbubenhaftem Übermut neigender Athlet. Auch er talentiert. Sonst würde er nicht auf höchstem Niveau fahren. Aber die letzten zehn Prozent des Talentes von Lüthi fehlen ihm noch. Er macht diesen kleinen Nachteil durch Präzision, Kraft, Athletik und mentale Unzerstörbarkeit wett. Wenn er das Helmvisier zuklappt, wird er zu einer rennerischen Kampfmaschine. Terminator auf Rädern. Lüthi ist längst kein schmalbrüstiger Ferienbub mehr und hat athletisch zugelegt. Aber er kommt in diesem Bereich nicht an den Hobby-Triathleten Aegerter heran.

Erstaunlich ist beim neuen Schweizer Töffhelden, dass er seinen testosterongeladenen Mut mit einer erstaunlichen Rennintelligenz tempiert und kaum je übers Limit hinausgeht. Einen direkten Zweikampf mit Lüthi kann er bei gleich gut laufender Maschine nach wie vor nicht gewinnen. Aber er kann Lüthi inzwischen über eine Renndistanz zermürben oder, wenn er besser startet, das Tempo halten. So wie in Aragon.

Lüthi: «Ich wäre beinahe gestürzt»

Lüthi ist ein Champion, Aegerter nach wie vor mehr Lausbub als Champion und daher noch kein neuer Lüthi. Wie reagierten die beiden auf den historischen Moment (Lüthi erstmals von einem Schweizer besiegt)?

Lüthi war nach dem 10. Rang schwer enttäuscht. Aber nicht weil ihn Aegerter besiegt hatte. «Ich kann mit einem 10. Platz einfach nicht zufrieden sein, ganz egal, wer vor mir platziert ist. Ich gratuliere Aegerter zu seinem Rennen, er hat diese Klassierung verdient, für ihn war die ganze Situation nach Misano ja noch belastender als für mich.» Es habe einfach an diesem Rennwochenende nichts zusammengepasst. «Wir haben die Balance bei der Maschine nicht gefunden, die Probleme, die wir im ersten Training hatten, vermochten wir bis zum Rennen nicht zu lösen. Als mich Elias überholte (der Spanier wurde am Ende 4. - die Red.) vermochte ich ihm nicht zu folgen. Das Vorderrad vibrierte und das Hinterrad rutschte und ich konnte einen Highsider gerade noch auffangen, ich wäre beinahe gestürzt.»

Aegerter bleibt cool

Aegerter blieb nach dem besten Rennen seiner Karriere cool und schilderte unaufgeregt den verlorenen Zweikampf in der letzten Runde mit dem Franzosen Jules Cluzel. Er hatte den Sieger von Silverstone in der letzten Runde gepackt und musste ihn dann doch ziehen lassen - es war eine dieser Situationen, die zeigt, dass der Feinschliff des Talentes (noch) fehlt.

Dass er sein Idol Lüthi zum ersten Mal in seiner Karriere besiegt hat, war ihm sehr wohl bewusst. Doch er hütete sich, Sprüche zu machen - auch aus Respekt vor Lüthi. «Ich freue mich, bester Schweizer zu sein. Aber ich habe andere Ziele als Lüthi zu besiegen. Wir waren in diesem Rennen beide in den Top Ten und es ist nur gut, wenn wir uns beide gegenseitig anstacheln.»

Tatsächlich gibt es eine gesunde, aber keine giftige Rivalität. Beide sind Berner und ein Merkmal der Berner ist es, dass sie sich gegenseitig etwas gönnen. Nach dem Rennen unterhielt sich Aegerter gut gelaunt mit den Eltern von Tom Lüthi. Das Verhältnis Lüthi-Aegerter ist so etwas wie eine bernische Rennschicksalsgemeinschaft, von der am Ende des Tages beide profitieren.

Kann auch Aegerter Rennen gewinnen?

Die Frage ist: Kann Aegerter wie sein grosses Vorbild auch aufs Podest klettern und Rennen gewinnen? Sein Teamchef Alain Bronec sieht ein Potenzial für Podestplätze. «Aber wir müssen intensiv weiter arbeiten und Detail um Detail verbessern.»

In einem Bereich gibt es noch einen himmelweiten Unterschied. Lüthi verdient pro Jahr schätzungsweise über 300 000 Franken. Aegerter kassiert pro WM-Punkt 100 Euro plus pro Monat von seinem Eltern ein Taschengeld von 550 Franken, alles in allem wohl fünzig Mal weniger als Lüthi. Immerhin sagte Teamchef Bronec gegenüber 20 Minuten Online, beim der Ausarbeitung des neuen Vertrages für die Saison 2011 werde man über das Gehalt diskutieren.

GP von Aragon. Moto2:

1. Andrea Iannone (It) 40:33,264.

2. Julian Simon (Sp), 6,203.

3. Gabor Talmacsi (Un) 6,276.

4. Toni Elias (Sp) 7,123.

Ferner: 7. Dominique Aegerter (Sz) 12,987. Ferner: 10. Tom Lüthi (Sz) 21,171.

40 Fahrer gestartet, 28 klassiert.

WM-Stand (12/17):

1. Elias 224. 2. Simon 148. 3. Iannone 144. 4. Lüthi 130. 5. Corsi 108. 6. Talmacsi 95. Ferner: 13. Aegerter 45.

Moto GP:

1. Casey Stoner (Au).

2. Dani Pedrosa (Sp)

3. Nicki Hayden (USA).

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