Strafgericht BS – Lehrtochter erduldete jahrelange Übergriffe «angewidert und hilflos» 

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Strafgericht BSLehrtochter erduldete jahrelange Übergriffe «angewidert und hilflos» 

Ein Projektleiter eines Malerbetriebs, der auch für die Betreuung von Lernenden zuständig war, soll mehrere Lehrtöchter sexuell belästigt haben. Die Opfer mussten Nachteile fürchten.

Lukas Hausendorf
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Lukas Hausendorf
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Drei ehemalige Malerlehrtöchter ziehen gegen ihren ehemaligen Betreuer vor Gericht. Der Kadermitarbeiter ihres Lehrbetriebs soll sich jahrelang übergriffig verhalten haben. (Symbolbild)

Drei ehemalige Malerlehrtöchter ziehen gegen ihren ehemaligen Betreuer vor Gericht. Der Kadermitarbeiter ihres Lehrbetriebs soll sich jahrelang übergriffig verhalten haben. (Symbolbild)

20min/Michael Scherrer
Der heute 42-Jährige muss sich nun am Dienstag vor dem Basler Strafgericht wegen mehrfachen sexuellen Handlungen mit Abhängigen und Ausnützung der Notlage verantworten.  Es gilt die Unschuldsvermutung.

Der heute 42-Jährige muss sich nun am Dienstag vor dem Basler Strafgericht wegen mehrfachen sexuellen Handlungen mit Abhängigen und Ausnützung der Notlage verantworten. Es gilt die Unschuldsvermutung.

20 Minuten

Als die 16-jährige Lehrtochter auf einer Baustelle mit Abdeckungsarbeiten am Boden beschäftigt war, setzte sich ihr Betreuer ganz dicht hinter sie. Dann fuhr er mit seiner Hand über ihre Hüfte das Bein abwärts. Als sie sich erschrocken umdrehte, zog er ihr Arbeitsmesser aus ihrer Beintasche und sagte ihr, dass er es nur kurz ausleihen wolle. Der Vorfall im Sommer 2015 war kein Einzelfall. Der Kadermitarbeiter eines Malergeschäfts aus dem Kanton Basel-Stadt soll über Jahre das Abhängigkeitsverhältnis von mehreren, zum Teil minderjährigen, Lehrtöchtern ausgenutzt haben und sexuelle Handlungen an ihnen vorgenommen haben.

Der heute 42-Jährige muss sich nun am Dienstag vor dem Basler Strafgericht wegen mehrfachen sexuellen Handlungen mit Abhängigen und Ausnützung der Notlage verantworten. Für die Verhandlung am Dienstag hat die Staatsanwaltschaft bereits einen Strafantrag gestellt – sie verlangt einen Schuldspruch und eine zwölfmonatige, bedingte Freiheitsstrafe bei einer Probezeit von zwei Jahren.

Die Anklage listet Übergriffe an insgesamt drei Lehrtöchtern im Zeitraum vom Juli 2015 bis im August 2018. Eines der Opfer wagte sich während zwei Jahren nicht, sich gegen die Übergriffe zur Wehr zu setzen und erduldete diese «angewidert und hilflos». Sie habe Angst gehabt, ihre Lehrstelle zu verlieren, führt die Staatsanwaltschaft aus. Auch habe sie die Erfahrung gemacht, dass sie mit «Drecksarbeit» bestraft wurde, nachdem sie den Beschuldigten aufgefordert hatte, sie nicht mehr anzufassen. Zudem hatte sie den Eindruck gewonnen, dass ihr der Inhaber des Betriebs nicht glauben würde, wenn sie ihm von den Übergriffen seines Angestellten berichtet hätte. Als Mitglied der Prüfungskommission hätte er sie an der Lehrabschlussprüfung auch beurteilt, wenn sie den Betrieb gewechselt hätte.

Physisch und verbal übergriffig

Wie aus den Schilderungen der beiden anderen Opfern hervorgeht, war das Verhalten des Beschuldigten notorisch. So nannte er die Lehrtöchter kaum je bei ihrem Namen, sondern soll sie nur «Schnuggi», «Häschen» oder «Schnecke» gerufen haben. Bei Arbeiten auf Baustellen suchte er ständig Körperkontakt zu den noch minderjährigen Lehrtöchtern. So fasste er ihnen gerne an die Taille, betatschte sie an Beinen oder auch den Brüsten oder massierte Rücken und Nacken, ohne zu fragen und ohne Zustimmung. Als eine der Lehrtöchter aufmuckte, entgegnete er ihr, sie müsse ja nicht gleich zickig werden.

Diese Handlungen seien stets «in sexueller Absicht» erfolgt, hält die Staatsanwaltschaft fest. Für sich alleine genommen seien sie zwar nicht viel über die Intensität einer sexuellen Belästigung hinausgegangen, so die Anklage. «In ihrer Gesamtheit aber sind sie als sexuelle Handlungen mit Abhängigen zu werten.»

Zwei der drei ehemaligen Lehrtöchter, die im Verfahren als Privatklägerinnen auftreten, berichtete dem Inhaber des Malerbetriebs im Mai 2018 von den Übergriffen des Beschuldigten. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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Hier findest du Hilfe:

Belästigt.ch, Onlineberatung bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Verzeichnis von Anlaufstellen

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

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