Doktor Sex«Leidet meine Frau an einer Spermaphobie?»
Chris hat sich unterbinden lassen und der Weg ist endlich frei für unbeschwerten Sex ohne Verhütung. Aber seine Frau besteht weiterhin darauf, Kondome zu verwenden. Was nun?
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Es gibt Verhaltensweisen, die eine Beziehung grundsätzlich in Frage stellen. (Symbolbild: Colourbox.com, Frédéric Cirou)
Frage von Chris (35) an Doktor Sex: Ich bin seit fünf Jahren verheiratet und habe mit meiner Frau eine Tochter im Kindergartenalter. Da unsere Familienplanung abgeschlossen ist, habe ich mich vor einem Jahr einer Vasektomie unterzogen. Nachdem ich vom Urologen grünes Licht erhalten hatte, freute ich mich auf Sex ohne Verhütung. Zu meinem Erstaunen bestand meine Frau aber weiterhin auf das Kondom und erklärte mir, dass sie es nicht mag, mein Ejakulat in ihrer Vagina zu haben. Sie würde dadurch immer unangenehm riechen und hätte zudem einen nassen Slip. Mich irritiert diese Aussage. Sie geht nach dem Sex jeweils aufs WC und dort läuft ja wohl der grösste Teil heraus. Zudem ist die Flüssigkeitsmenge wirklich gering. Meinen Vorschlag, dass wir jeweils mit Kondom verhüten, wenn Sie danach keine Zeit hat, um zu duschen, lehnte sie ab. Natürlich könnte ich jetzt auf dem Kompromiss beharren, aber ich denke, dass sie dann beim Sex noch weniger entspannt wäre, als sie es jetzt schon ist.
Ich kann mir gut vorstellen, dass das Ejakulat nicht etwas ist, was frau toll findet. Trotzdem bin ich enttäuscht, dass meine Frau Mühe hat mit etwas von mir, das doch einfach zum Sex dazugehört. Was denken Sie darüber? Und kann ich etwas tun, damit meine Frau Ihre «Spermaphobie» überwinden kann?
Antwort von Doktor Sex
Lieber Chris
Eine verzwickte und emotional ziemlich aufgeladene Situation, in der du dich da gerade befindest. Brisant daran scheint mir, dass gleichzeitig verschiedene Aspekte auf äusserst konfliktträchtige Art miteinander verbunden sind, von denen jeder einzelne schon enorm viel Zündstoff enthält: Es geht um dein Selbstwertgefühl, um das Selbstbestimmungsrecht deiner Partnerin über ihren Körper und um die Qualität des Sex – denn so interpretiere ich deine Aussage über den Mangel an Entspannung, den du an deiner Frau dabei wahrzunehmen scheinst.
Ich glaube nicht, dass deine Partnerin an einer - wie du es nennst - «Spermaphobie» leidet. Sie drückt einfach aus, was neben ihr auch viele andere Frauen denken und erleben. Jedoch benutzt sie dein Ejakulat und die für sie damit verbundenen Unannehmlichkeiten mindestens teilweise auch als Vorwand, um tiefer gehenden Auseinandersetzungen auszuweichen. Einerseits mit sich selbst und andererseits mit dir. Dass sie das tun kann, hast du dir selber zuzuschreiben. Mit deiner Zurückhaltung ermöglichst du nämlich überhaupt erst die Vermeidungsstrategie deiner Frau. Aber offenbar lässt du dich lieber abspeisen und bevorzugst es, in Selbstmitleid zu baden, statt der Sache auf den Grund zu gehen und die schlafenden Hunde in eurer Partnerschaft zu wecken.
Über die Beweggründe für euer Verhalten kann ich nur spekulieren. Ich vermute, ihr fürchtet euch beide davor hinzuschauen - weil ihr genau spürt, dass das zwangsläufig eine Auseinandersetzung mit unabsehbaren Folgen nach sich ziehen würde und eure Beziehung dadurch in den Grundfesten erschüttert werden könnte. Eine bedrohliche Vorstellung. Letztlich wird dies aber auch geschehen, wenn ihr weiterhin gute Mine zum letztlich ziemlich bösen Spiel macht. Wenn du mich fragst: Es ist Zeit, nicht mehr länger die Angst über eure Beziehung bestimmen zu lassen - gerade auch im Interesse eurer Tochter. Denn diese spürt ganz bestimmt, dass zwischen euch grundlegende Dinge nicht mehr stimmen.
Die Grundsatzfrage, die es – möglicherweise mit der Unterstützung einer Fachperson - zu klären gilt, lautet: Haben wir eigentlich noch ein Interesse daran, zusammen zu sein, oder ist es möglicherweise besser für uns alle, wenn wir uns trennen? Und falls wir zusammenbleiben: Was brauchen wir, damit unsere Beziehung lebendig und unser Umgang miteinander von Wertschätzung und Respekt getragen wird? Viel Glück!