Deutschland: Linke hat eine neue Spitze

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DeutschlandLinke hat eine neue Spitze

Der Führungswechsel bei den Linken ist vollzogen. Klaus Ernst und Gesine Lötzsch sind gewählt worden. Oskar Lafontaine und Lothar Bisky wurden verabschiedet.

von
Holger Mehlig
AP
Die scheidenden  Parteivorsitzenden der Linkspartei, Oskar Lafontaine, rechts, und Lothar Bisky

Die scheidenden Parteivorsitzenden der Linkspartei, Oskar Lafontaine, rechts, und Lothar Bisky

Klaus Ernst und Gesine Lötzsch sind am Samstagabend auf dem Parteitag der Linken in Rostock von den 550 Delegierten zu den neuen Vorsitzenden gewählt worden und folgen damit Oskar Lafontaine und Lothar Bisky nach. Ernst erhielt 74,9 Prozent, Lötzsch 92,8 Prozent.

Lafontaine hatte seinen Rückzug im Januar nach einer Krebs-Operation angekündigt. Bisky will sich künftig stärker seiner Arbeit im Europaparlament widmen.

Lötzsch sagte, sie wolle den Kurs ihrer Vorgänger fortsetzen. «Wir wollen das Land wirklich verändern zum Besseren für die Mehrheit der Menschen», rief sie. Sie wolle vor allem den direkten Kontakt zu den Menschen pflegen.

Ernst erklärte, eine starke Linke sei nötiger denn je. Mit Blick auf die Eurokrise sagte er, dem Rettungspaket könne seine Partei nicht zustimmen, da es zuerst sozialen Kahlschlag in Griechenland und dann in Deutschland bedeute. Zunächst müsse das Kasino Deutschland geschlossen werden. Seine Partei wolle für bessere Arbeitsbedingungen und den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan kämpfen. «Nur eine Linke, die in der Gesellschaft fest verankert ist, kann sie auch verändern.»

Viel Beifall für Lafontaine und Bisky

Zuvor hatten die Delegierten ihre scheidenden Vorsitzenden mit stehenden Ovationen gefeiert. Lafontaine forderte in einer kämpferischen Rede seine Partei auf, den bisherigen Kurs fortzusetzen. Eine erfolgreiche Strategie wechsele man nicht aus. Bisky forderte, die Sozialstaatsidee zu verteidigen und weiter zu entwickeln. Lafontaine appellierte an seine Partei, weiter konsequent gegen Sozialabbau zu kämpfen. Man habe seit der Gründung vor drei Jahren viel erreicht und «jetzt liegt es an euch, dass wir diesen Weg unbeirrt weitergehen». Der Weg sei erfolgreich gewesen, «und einen solchen Weg geht man weiter». Stolz erklärte er, die Linke sei die einzige Antikriegspartei in Deutschland.

Er schlug in seiner Rede einen Bogen von der französischen Revolution bis hin zur Gegenwart. In dieser Freiheitstradition stehe auch der demokratische Sozialismus, dem die Linke verpflichtet sei, erklärte der 66-Jährige. In seiner letzten Rede als Linke-Chef rechnete Lafontaine auch mit seiner ehemaligen Partei, der SPD, ab: Wenn diese auf ihre Mitglieder und Wähler gehört und sich gegen Hartz IV und Kriegsbeteiligungen ausgesprochen hätte, würde sie immer noch zwischen 35 und 38 Prozent liegen. Am Ende seiner rund 40-minütigen Rede erhielt der sichtlich bewegte Lafontaine stehende Ovationen und reckte wieder und wieder zum Dank die Fäuste in die Höhe.

Bisky fordert Untersuchungsausschuss

Bisky setzte sich in erster Linie mit der Finanzkrise auseinander. Er forderte im Zusammenhang mit den milliardenschweren Finanz-Rettungspaketen der vergangenen Jahre einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Er frage sich, warum nach wochenlanger Untätigkeit plötzlich bei der Verabschiedung der Gesetze jeweils eine solche Eile an den Tag gelegt worden sei. Wer demokratische Gepflogenheiten ohne Not aushebele, habe die Prozesse vollständig dem Verwertungshunger des Finanzkapitals unterstellt. «Und das dürfen wir nicht länger zulassen.»

Bisky sprach sich gegen das zuletzt beschlossene Euro-Rettungspaket aus. «Hier werden keine Rettungspläne, sondern Teufelskreise installiert», sagte er. Am Ende dankte Bisky ausdrücklich dem scheidenden Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, Lafontaine erwähnte er nicht. Auch Bisky erhielt minutenlange stehende Ovationen.

Mitgliederentscheid für neue Struktur

Am Samstag sollten auch die Nachfolger von Bartsch gewählt werden. Zur Wahl stand mit den Bundestagsabgeordneten Werner Dreibus und Caren Lay auch hier ein Doppel.

Ende April hatten sich die Mitglieder in einem Entscheid für eine neue Führungsstruktur ausgesprochen. 84,5 Prozent votierten für die Beibehaltung der eigentlich nur als befristet geplanten Doppelspitze. Dieser muss künftig mindestens eine Frau angehören. Die Basis votierte zudem dafür, dass auch die Geschäftsführung künftig doppelt und mit mindestens einer Frau besetzt wird. Für die Posten der stellvertretenden Vorsitzenden kandidierten Heinz Bierbaum, Katja Kipping, Sahra Wagenknecht und Halina Wawzyniak.

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