Gastroriese machts vorLinke wollen Unternehmen zu Lohntransparenz zwingen
Wissen, wie viel der Chef verdient: Linke Politiker fordern, dass Mitarbeitende künftig volle Transparenz über die Löhne in ihrem Unternehmen haben. Das stösst auf Widerstand.
- von
- Joel Probst
- Daniel Graf
Darum gehts
Ein Gastrounternehmen legt seinen Mitarbeitenden sämtliche Löhne offen, auch die der Chefs.
Linke Politikerinnen und Politiker fordern nun, dass Firmen per Gesetz zur Lohntransparenz verpflichtet werden.
Bürgerliche Politiker wehren sich gegen ein Transparenzobligatorium.
Wer in einer Unternehmung angestellt ist, soll künftig Auskunft über den Lohn sämtlicher Angestellten verlangen können: Linke Politikerinnen und Politiker fordern volle Lohntransparenz für Mitarbeitende. Die Firma Familie Wiesner Gastronomie, zu der etwa «The Butcher» oder die «Outback Lodge» gehört, kennt dieses System bereits.
Via Onlineformular kann jeder Mitarbeitende den Lohn des Chefs genauso wie denjenigen des Arbeitskollegen anfragen und erhält dann telefonisch eine Antwort. Auch allfällige Boni der Vorgesetzten werden den Angestellten laut der Firma ausgewiesen.
Linke will obligatorische Lohntransparenz
Für linke Politikerinnen und Politiker ist mehr Lohntransparenz in der Privatwirtschaft schon lange überfällig: «Je transparenter die Löhne sind, desto weniger unerklärbare Lohnunterschiede gibt es», sagt Grünen-Nationalrätin Meret Schneider. «Unternehmen muss man dazu verpflichten, ihren Mitarbeitenden sämtliche Löhne offenzulegen.»
Die Nationalrätin arbeitet bereits an einem Vorstoss für mehr Lohntransparenz: «Einerseits zeigt das den Mitarbeitenden, wie gross die Differenz zwischen dem höchsten und tiefsten Gehalt ist.» Das mache es schwieriger, «Lohneskapaden» zu rechtfertigen: «Dann lohnt es sich für eine Firma vielleicht sogar, die Lohnstrukturen zu überdenken.»
Andererseits diene die Offenlegung der Löhne auch der Lohngleichheit: «Studien belegen, dass dadurch Lohndifferenzen zwischen Mann und Frau abnehmen. Denn die Lohntransparenz gibt Firmen einen Anreiz, Mitarbeitende in der gleichen Position auch gleich zu entlöhnen.»
«Jeder soll den Lohn des Chefs kennen»
Unterstützung erhält Schneiders Forderung von der Juso. Präsidentin Ronja Jansen will sogar noch einen Schritt weitergehen: «Es braucht ein öffentliches Lohnregister.» Jansen möchte die Unternehmen dazu verpflichten, dem Bund anonymisierte Lohndaten zu melden. «So liesse sich ein Online-Tool bauen, das Lohnabfragen nach Berufen erlaubt.»
Damit will die Juso-Präsidentin nicht nur Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts, sondern auch aufgrund der Herkunft bekämpfen. Ausser Frage steht für Jansen, dass unternehmensintern komplette Lohntransparenz herrschen sollte: «Unternehmen müssen ihren Mitarbeitenden bedingungslos sämtliche Löhne offenlegen. Jeder soll den Lohn seines Chefs kennen», fordert die Juso-Präsidentin.
«Die Chancen gehen gegen null»
Herr Kübler*, wie stehen die Chancen für die Einführung von obligatorischer Lohntransparenz im Parlament?
Die Chancen tendieren gegen null. Sogar auf linker Seite ist dieses Anliegen aussichtslos. Solche Forderungen dienen höchstens als Munition für Klassenkampf-Rhetorik.
Welche Schritte in Richtung Lohntransparenz wurden politisch schon umgesetzt?
Gar keine. Man erinnere sich an die Diskussion zur Lohngleichheit: Selbst dort konnte sich das Parlament nur auf Lohnanalysen einigen. Sonst gibt es nur in Geschäftsleitungen von börsenkotierten Unternehmen seit der Abzocker-Initiative eine gewisse Transparenz.
Ist Transparenz ein linkes Anliegen?
Nein, das kann man so nicht sagen. Grundsätzlich ist Transparenz ein demokratisches Ziel und liegt im öffentlichen Interesse. Die Frage ist immer, wo die Transparenz aufhört und die Privatsphäre anfängt. Diese Trennlinie wird unterschiedlich interpretiert.

*Daniel Kübler ist Professor am Institut für Politikwissenschaften der Universität Zürich.
Bürgerliche und Wirtschaft wehren sich
Damit stösst sie im bürgerlichen Lager auf Widerstand: «Es muss nicht jeder vom anderen wissen, wie hoch sein Lohn ist. Gerade die Lohnhöhe möchten sich die wenigsten Mitarbeitenden gegenseitig verraten», sagt Mitte-Ständerat Pirmin Bischof. Das Offenlegen von Löhnen solle eine Entscheidung des Unternehmens bleiben und nicht des Gesetzgebers.
«Es hat seinen Grund, dass in der Privatwirtschaft nicht alles transparent ist. Geschäftsgeheimnisse sind das Fundament einer freien Marktwirtschaft», so Bischof. Sowieso sei nicht gesagt, dass mehr Transparenz zu mehr Lohngleichheit führe: «Obwohl die öffentliche Hand volle Lohntransparenz hat, schneidet sie bei der Lohndiskriminierung von Frauen kaum besser ab als die Privatwirtschaft.»
«Auch Mitarbeitende wollen das nicht»
Wenig Freude an der idee einer staatlich verordneten Lohntransparenz hat der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse: «Ob und wie über die Löhne informiert wird, muss Sache der Firmen sein. Die Politik sollte nicht über die Köpfe der Arbeitgeber hinweg entscheiden», sagt Chefökonom Rudolf Minsch. Auch das Argument, so könnten ungerechtfertigte Lohnungleichheiten beseitigt werden, lässt er nicht gelten: «Es gibt klare Hinweise darauf, dass die ganze Ungleichheitsdebatte aufgrund Berechnungen des Bundesamts für Statistik geführt wird, die auf mangelhaften Daten beruhen.»
Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, ergänzt: «Es gibt auch viele Mitarbeitende, die das nicht wollen. Die Unternehmen sind bereits gesetzlich verpflichtet, geschlechterspezifische Lohndiskriminierungen zu verhindern. Doch das geht auch anonym und ohne die Unternehmen gleich zu zwingen, die Löhne sämtlicher Mitarbeitenden offenzulegen.»