Trojaner eingesetztLinksaktivistin Stauffacher ausgeschnüffelt
Bei ihren Ermittlungen gegen die Zürcher Aktivistin Andrea Stauffacher hat die Bundesanwaltschaft Trojaner der deutschen Firma Digitask eingesetzt. Sie erschnüffelte damit E-Mails und Telefongespräche.
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- uwb/mdr/20minutes

Steht in Bellinzona vor Gericht wegen mutmasslichen Sprengstoff- und Brandanschlägen: Andrea Stauffacher (Mitte). Das Urteil wird am 8. November eröffnet.
Täglich kommen neue Details zum Einsatz der Bundestrojaner in der Schweiz zum Vorschein. Wie die NZZ in ihrer Ausgabe vom Samstag aufdeckt, hat die Bundesanwaltschaft auch die Zürcher Anführerin des Schwarzen Blocks, Andrea Stauffacher, mittels eines Trojaners überwachen lassen. Bisher war nur bekannt, dass die Schnüffel-Software in der Schweiz in vier Fällen bei Verdacht auf Terrorismus eingesetzt worden ist.
Die Überwachung von Andrea Stauffacher mittels Trojaner fand in der Zeit zwischen Januar und April 2008 statt. Die Linksaktivistin stand Ende September wegen Sprengstoff- und Brandanschlägen vor Bundesstrafgericht in Bellinzona. Wie Recherchen der NZZ zeigen, stellte Digitask der Bundesanwaltschaft respektive der Bundeskriminalpolizei in dieser Zeit ein Mitgerät mit Spezialsoftware zur Verfügung. Damit konnten Mails und Telefongespräche von Stauffacher und einer weiteren Anhängerin des Revolutionären Aufbaus überwacht werden. Digitask stellte dafür eine Rechnung von 26 000 Euro.
Rechtlich in Ordnung?
Brisant: In den Akten gegen Stauffacher vor Bundesstrafgericht wurde die Rechnung mitsamt den Angaben zum Mietgerät entfernt. Diese Dokumente, so erklärt ihr Anwalt Marcel Bossonet in der NZZ, seien in einem verschlossenen Couvert mit dem Hinweis «darf nur vom Richter geöffnet werden» im Tresor der Bundesanwaltschaft deponiert worden.
Weil der rechtliche Einsatz von Trojanern in der Schweiz umstritten ist, will Bossonet nun prüfen lassen, ob die Bundesanwaltschaft mit der Trojaner-Überwachung eine Straftat begangen habe. Zudem will er wissen, wie stark der Trojaner-Einsatz das Verfahren gegen seine Mandantin Stauffacher beeinflusst hat. Das Urteil des Bundesstrafgerichts wird am 8. November eröffnet. Die 61-Jährige soll laut Anklage für viereinhalb Jahre ins Gefängnis - die Verteidigung hat einen Freispruch gefordert.
Einsatz gegen Pädophilen
Auch im Kanton Waadt wurde ein speziell konzipierter Trojaner eingesetzt, um einen Pädophilen zu überführen. Dies passierte im Jahr 2011 und sei ein einmaliges Ereignis gewesen, erklärte der stellvertretende Waadtländer Staatsanwalt, Jean Treccani gegenüber der Zeitung «La Liberté».
Mit dem Trojaner, der von einem Schweizer Softwareunternehmen hergestellt worden ist, habe man unbemerkt die Mails und Fotos des Mannes ausspionieren können.
Kritik der Politiker
Bei Politikern haben die bisher nicht offiziell bekannten Einsätze des Staatstrojaners Empörung ausgelöst. Im Vordergrund stehen rechtstaatliche Bedenken, wie 20 Minuten Online berichtete. «Es gibt berechtigte Zweifel, dass der Einsatz rechtmässig war», sagt der grüne Nationalrat Daniel Vischer. Hochgradig erstaunt zeigt sich FDP-Nationalrat Ruedi Noser. «Die Bundesbehörden nehmen sich offenbar die Mittel, die sie brauchen», sagt er mit Verweis auf Klagen, in der Schweiz stünden den Strafverfolgungsbehörden nicht die nötigen Instrumente zur Verfügung. Bei schweren Straftaten sei ein Staatstrojaner zwar zu rechtfertigen. «Es braucht aber klare Richtlinien zum Einsatz, damit Missbrauch verhindert wird.»
Neben den Politikern dürfte der Einsatz von Staatstrojanern auch die Juristen beschäftigen. Denn es bestehen grosse Zweifel daran, dass diese Art von aktiver Überwachung legal ist. Selbst die Juristen des Bundes waren sich dessen offenbar nicht sicher, hat die Landesregierung doch im Mai 2010 eine Gesetzesänderung vorgestellt, die einen «Trojaner federal» explizit erlauben sollte. In einer Einschätzung auf seinem Blog kommt der Zürcher Rechtsanwalt Martin Steiger zum Schluss, dass heute eine Rechtsgrundlage für Trojaner zur Online-Durchsuchung und -Überwachung fehle.