Lieber Phil GeldLohnabzug bei Krankheit – ist das erlaubt?
Der Chef von Monika (37) hat ihr 500 Franken vom Lohn abgezogen, weil sie krank war. Ist ein solches Vorgehen legal?

Bei einer Lösung mit Taggeldversicherung ist eine Lohnreduktion im Krankheitsfall üblich. (Bild: Colourbox.de)
Lieber Phil Geld
Ich lag letzten Monat eine Woche lang krank im Bett. Trotz Arztzeugnis hat mir mein Chef 500 Franken vom Lohn abgezogen. Darf er das?
Liebe Monika
Eine Lohnreduktion bei Krankheit ist unter bestimmten Voraussetzungen durchaus möglich. Kommt der Arbeitgeber selbst für den Lohn bei Krankheit auf, gilt aber grundsätzlich, dass er für eine beschränkte Zeit den vollen Lohn zahlen muss, und zwar ab dem ersten Krankheitstag. Vorausgesetzt ist allerdings, dass das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen wurde. Folglich beginnt die gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht erst am ersten Tag des vierten Anstellungsmonats.
Wie lange der Arbeitgeber zahlen muss, hängt von den geleisteten Dienstjahren sowie den von den Gerichten ausgearbeiteten, regional gültigen Skalen ab. Art. 324a Abs. 2 OR legt als Mindestleistung zwingend fest, dass im ersten Dienstjahr bis zu drei Wochen und in den folgenden Dienstjahren eine angemessene längere Zeit Lohn gezahlt werden muss – je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses und den Umständen des Einzelfalles.
Gemäss der Zürcher Skala, die vom Arbeitsgericht Zürich ausgearbeitet wurde, ist zum Beispiel im ersten Dienstjahr Lohn während drei Wochen zu zahlen. Im zweiten Dienstjahr steigt der Anspruch auf acht Wochen, danach gibt es für jedes weitere geleistete Dienstjahr eine Woche mehr.
Taggeldversicherung: Weniger Lohn, aber für längere Zeit
Das Gesetz lässt aber gemäss Art. 324a Abs. 4 OR eine abweichende Regelung zu, sofern sie für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig ist. Gestützt auf diese Bestimmung schliessen daher viele Arbeitgeber für ihre Angestellten eine Taggeldversicherung ab. Hier sieht die rechtliche Situation etwas anders aus: Die Taggeldversicherung zahlt je nach Vereinbarung im Normalfall lediglich 80 Prozent des Lohnes; dafür aber bedeutend länger als es die gerichtliche Praxis gemäss den erwähnten Skalen im Minimum vorsieht.
Die Gerichte erachten eine Lohnfortzahlung von mindestens 80 Prozent während 720 Tagen als gleichwertig mit der gesetzlichen Lohnfortzahlung gemäss Art. 324a Abs. 1 OR. Letztere sieht zwar 100 Prozent vor, aber für eine viel kürzere Dauer.
Üblicherweise zahlen Taggeldversicherungen nicht bereits ab dem ersten Krankheitstag, sondern sehen eine Wartefrist von mehreren Tagen vor. Bei einer Wartefrist von mehr als drei Tagen bleibt der Arbeitgeber im Umfang der vereinbarten Versicherungsleistung (bis das Taggeld fliesst) zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Folglich sind Vereinbarungen, nach denen der Arbeitgeber während einer kurzen Dauer (maximal bis zu drei Tagen) keinen Lohn zahlen muss, erlaubt. Solche sogenannten Karenzfristen müssen jedoch ausdrücklich vereinbart worden sein.
Entsprechend ist also eine reduzierte Lohnzahlung deines Arbeitgebers durchaus zulässig – vorausgesetzt, er hat für dich eine Taggeldversicherung abgeschlossen. Hat der Arbeitgeber keine Taggeldversicherung abgeschlossen, hat er dir grundsätzlich den normalen Lohn zu 100 Prozent zu zahlen.
Freundlich grüsst
Phil Geld
E-Mail: phil.geld@20minuten.ch (20 Minuten)
Ihre Frage an Phil Geld
Nutzen auch Sie unseren Ratgeberservice rund ums Geld und Rechtliches: Phil Geld beantwortet Fragen zu den Themen Konsum, Arbeit, Wohnen und Recht. Beispielsweise: «Darf die Firma meinen Computer ausspionieren?» oder «Kann ich mir schon legal ein Tattoo stechen lassen?» Setzen Sie uns ebenso über Missstände ins Bild und teilen Sie uns mit, was Sie besonders ärgert. Sie können Ihre Frage senden an phil.geld@20minuten.ch oder
dieses Formular verwenden (siehe auch Button oben rechts). Die Altersangabe hilft uns, die Tipps noch konkreter auf Ihre Situation zu beziehen. Interessante Anfragen und die entsprechenden Antworten publizieren wir unter geändertem Vornamen in dieser Rubrik. Wir bitten um Verständnis, dass nicht jede Frage beantwortet werden kann.