Femizid in Wädenswil«Für das, was ich getan habe, gibt es keine Entschuldigung»
Nach dem Tötungsdelikt im Juli 2019 in Au-Wädenswil steht der 35-jährige M. W. vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft verlangt eine lebenslängliche Freiheitsstrafe.
- von
- Stefan Hohler
Darum gehts
Der 35-jährige M. W. ist wegen Mordes an seiner Partnerin angeklagt.
Der Femizid ereignete sich im Juli 2019 in Au-Wädenswil und kommt nun vor Gericht.
Laut der Anklageschrift hat der Beschuldigte aus absolut nichtigen Beweggründen gehandelt.
Zu Beginn des Prozesses am Dienstag sagte Gerichtspräsident Reto Nadig, dass es um den Tod einer jungen Frau, Mutter, Tochter und Schwester geht und drückt den Angehörigen sein Beileid aus. Unter Tränen sagte der Beschuldigte M.W.* bei der persönlichen Befragung, dass der Alltag im Gefängnis schwierig sei, er würde aber anständig behandelt. Er habe körperliche Gewalt in seiner Kindheit durch seinen Vater erlebt. «Aber es ist nicht entschuldbar, was ich getan habe.» Er habe in Haft viel nachgedacht und reflektiert, wie es passieren konnte.
Der gelernte Einzelhandel-Kaufmann aus Deutschland war in der Schweiz bei verschiedenen Grossverteilern tätig, unter anderem als Filialleiter. In den meisten Fällen wurde ihm gekündigt. Beim letzten Arbeitgeber hatte er parallel dazu ein Reinigungsgeschäft aufgebaut, ohne dass sein Arbeitgeber davon wusste: «Die Kündigung war ein grosses Loch.»
«Früher war ich nie eifersüchtig»
M. W. hat mit einer früheren Partnerin einen Sohn. Dann war er zehn Jahre mit einer anderen Frau verheiratet, mit der er eine Tochter hat und lebte am Schluss mit dem späteren Opfer K.* zusammen, die er am Arbeitsplatz kennengelernt hat. Mit ihr hatte er zur Tatzeit auch einen neunmonatigen Sohn. Es habe immer wieder Streit gegeben: «Weil ich eifersüchtig geworden bin, was ich früher nie gewesen war.» K. habe eine Woche vor ihrem 24. Geburtstag am 22. Juli 2019 per Whatsapp Schluss gemacht. Er habe psychische Probleme gehabt, aber keine Hilfe geholt. «Warum nicht», will der Richter wissen, worauf der Beschuldigte sagt: «Das ist eine gute Frage.»
Sein angebliches Verständnis zur Trennung, welche er K. glaubhaft machte, sei nur Fassade gewesen. «Hat Ihre Partnerin Sie jemals betrogen», fragt der Gerichtspräsident. «Nein», lautet die Antwort. «Ich habe durch meine Eifersucht alles kaputt gemacht.» Nach der Tat hatte er aber der Polizei gesagt, dass er seiner Freundin etwas Schlimmes angetan habe, weil sie ihn betrogen habe.
«Dann ist es passiert»
Bezüglich der Tat ist M. W. geständig, aber nicht so wie es in der Anklageschrift steht. Er habe K. nicht im Schlaf erstochen, sondern mit ihr über die Whatsapp gesprochen. «Dann ist es passiert.» Laut Anklageschrift schlug der Mann der schlafenden K. zuerst eine Champagnerflasche mit grosser Wucht mehrmals auf den Kopf, dann würgte er sie bis zur Ohnmacht und stach anschliessend mit einem Fleischermesser sechsmal auf den Oberkörper ein.
Nach der Tat hinterliess er einen Abschiedsbrief und verabschiedete sich von seinem schlafenden Söhnchen mit einem Kuss. Dann fuhr er zum Polizeiposten in Zürich-Oerlikon und stellte sich. Warum gerade Oerlikon könne er nicht mehr sagen. Auf die Frage des Richters, warum er das Messer im Opfer stecken liess, wusste M.W. keine Antwort. Ein Nachbar hatte einen langen und lauten Todesschrei gehört.
M. W. ist geständig, die Lebenspartnerin gewürgt zu haben. «Aus der vorangegangenen Abweisung heraus, anders kann ich es mit nicht erklären», begründet er die Würgeattacke. «Warum sind Sie dann am Sonntagmorgen um 6 Uhr ins Schlafzimmer von Ihrer Lebenspartnerin gegangen?», fragt der Vorsitzende Reto Nadig. «Ich wollte sie überraschen», antwortet der Beschuldigte. Ein romantisches Champagnerfrühstück sehe anders vor, kommentiert der Richter. Als die Frau ihn abwies, habe er mit der Champagnerflasche zugeschlagen. Er habe aber nie geplant gehabt, K. zu töten, sagt er. Am Abend zuvor hätten sie noch Geschlechtsverkehr gehabt. In der Tatnacht habe er zwischen 10 und 15 Dosen Bier getrunken, gefunden wurden aber nur fünf leere Bierdosen.
Zeuge bestätigen Kontrolle und Eifersucht
Nach einer Pause kommen drei Zeugen zu Wort. Als erster ein ehemaliger Arbeitskollege, mit dem das Opfer kurz vor ihrem Tod eine Beziehung hatte. «Sie war ein herzensguter Mensch», sagt er. M.W. habe von der Beziehung nichts gewusst. Viel Persönliches wusste der Zeuge aber nicht, das Paar war erst rund zwei Wochen zusammen.
Eine andere Arbeitskollegin bestätig, dass sich K. anfangs Juli von M. W. trennen wollte. Die Frage des Richters, ob die Freundin Angst vom M.W. hatte, verneint die Arbeitskollegin. Aber er habe K. finanziell ausgenutzt. In der Zeit vor ihrem Tod sei sie immer traurig gewesen und habe häufig geweint. Sie habe gesagt, dass sie mit M. W. Sex haben musste, sonst hätte es Probleme gegeben. «Er hat sie kontrolliert und wollte immer zeigen, sie gehört mir», sagt die Zeugin. Dass er K. töten könnte, hätte sie aber nie gedacht.
Ein weiterer Arbeitskollege und Freund des Beschuldigten sagt, dass M. W. ihm per Whatsapp «Überwachungsaufträge» erteilt habe. Er wollte wissen, mit wem sie rede und lache und wann ihre Arbeitszeiten seien. Er habe anfänglich geantwortet, dann aber ihm geschrieben, er soll aufhören. M. W. habe seine Freundin am Arbeitsplatz immer wieder überwacht und sei sehr eifersüchtig gewesen.
Nach der Zeugenaussage wird der Beschuldigte nochmals vom Richter befragt. Dieser zitiert Handynotizen, in der M.W. unter anderem schrieb: «Nie wieder glücklich sein, kein anderer Mann an ihrer Seite, Rache für die Trennung, Eifersucht.» Das seien keine konkreten Tötungspläne gewesen, so der Beschuldigte. Er sei völlig verzweifelt gewesen und habe K. niemals etwas antun wollen. Der Richter zitiert einen weiteren Satz: «Jemand soll sich um den gemeinsamen Sohn kümmern.» Das könne man doch nur so verstehen, dass er die Lebenspartnerin und sich selbst umbringen wolle, sagt der Richter. Trotzdem sagt der Beschuldigte: «Das entspricht nicht der Tatsache.»
Als ihn der Richter am Schluss der Befragung fragt, was er später einmal seinem Sohn sagen würde, warum er seine Mutter getötet habe, antwortet M.W. unter Tränen: «Auf das gibt es keine Entschuldigung, das ist unmöglich.» Mit der Befragung des Beschuldigten ist der erste Prozesstag beendet. Die Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidigung erfolgen am 1. Juli.
*Name der Redaktion bekannt
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Online- und Einzelchatberatung für Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
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