Fall Blausee«Man hat auf Kosten von Mensch und Natur gespart»
Blausee-Besitzer Stefan Linder erhebt unter anderem Vorwürfe an das Bundesamt für Verkehr und den Kanton Bern. 20 Minuten sprach mit einem der Journalisten hinter der Recherche
Darum gehts
In einem ausführlichen Artikel berichten «Reportagen» und «Heidi News» über den Fall Blausee. Unter Berufung auf zahlreiche Quellen schreiben sie über weitere Gewässerverschmutzungen und wie Behörden mit dem Fall umgegangen sind, nachdem das Forellensterben geschehen war. Insbesondere kommt Stefan Linder zu Wort, einer der drei Besitzer des Blausees.
Nach der Darstellung von Linder wurde er zweimal explizit davor gewarnt, weitere Nachforschungen anzustellen. Einmal vom Berner Regierungsrat Christian Neuhaus und einmal von BAV-Direktor Peter Füglistaler.
20 Minuten sprach mit Daniel Peterlunger, einem der drei Autorinnen und Autoren des Artikels.
Ihr wart über acht Monate zu dritt am Recherchieren. Wie seid ihr überhaupt auf die Sache gekommen und wie seid ihr vorgegangen?
Wir haben gesehen, dass auch zwischen 2012 und 2020 verschmutztes Material in der SHB deponiert worden ist. Bei Nachforschungen sind wir auf den Neat-Bau gestossen und haben uns intensiv damit auseinandergesetzt. Angeblich sind 40 Prozent des Ausbruchmaterials aus dem Tunnel wiederverwendet worden. Das ist rein rechnerisch nicht möglich. Insgesamt holte man nämlich 16,6 Millionen Tonnen belastetes Material aus dem Berg. Würde man damit einen Güterzug beladen, er würde vom Berner Oberland bis nach Jordanien reichen. Davon sollen 40 Prozent im Tunnel als Beton wiederverwertet worden sein? Und wo liegt der Rest?
Später sind wir darauf gestossen, dass Material - mit Bewilligung vom Bund - im Raum Mitholz unter anderem auf dem sogenannten Neat-Hügel abgelagert worden war. Aber auch da können die Zahlen nicht stimmen. Im Katasterplan belasteter Flächen sind nur 1,2 Millionen Tonnen ausgewiesen, tatsächlich sind im Raum Mitholz aber mehrere Millionen Tonnen mit dem Volumen der Cheops-Pyramide gelagert.
Dann seid ihr relativ bald auf Stefan Linder gestossen. Er war eine wichtige Quelle für eure Recherche. Wie glaubwürdig ist er?
Er war bereits in den Medien und hatte zu der Sache enorm viel recherchiert. Alles, was er uns an faktischen Informationen gegeben hat, ist korrekt und belegbar. Wir haben aber auch mit vielen anderen Leuten gesprochen. Wir haben überprüft, was Linder uns erzählt hat. Ich habe keinen Grund, an seiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln.
Auch nicht, was beispielsweise den Telefonanruf von Regierungsrat Neuhaus angeht?
Ich zweifle nicht daran, dass das stimmt. Wir haben mit seiner Frau gesprochen, die das betätigt. Hätte Linder ein Motiv, den Anruf zu erfinden, um Neuhaus schlecht dastehen zu lassen? Nein, denn zu dem Zeitpunkt als der Anruf stattfand, musste Linder auf die Unterstützung durch Neuhaus hoffen. Weshalb also sollte er ihn anschwärzen? Hat Linder den Anruf nachträglich, viel später, erfunden als er selbst unter Druck geriet? Nein, denn unmittelbar nach dem Anruf hatte Linder mehrere Personen darüber informiert, und dies drang zu diesem frühen Zeitpunkt auch zu mir durch – bevor in den Medien eine Zeile zum Thema Blausee erschienen war.
Was war für euch die erstaunlichste Erkenntnis aus eurer Recherche?
Dass im Kanton Bern die Prioritäten falsch gesetzt werden, wie das Professor Walter Wildi in unserer Reportage begründet. Es geht doch an erster Stelle um den Schutz der Bevölkerung und der Umwelt, danach um die Wirtschaft. Man hätte das alles anders machen können. Das tat man aber nicht, weil es deutlich teurer geworden wäre. Man hat somit auf Kosten von Mensch und Natur gespart.
Das sagen BAV, BVD und Vigier
Aktivier jetzt den Bern-Push!
Keine News mehr verpassen
Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.