Hochspannungsleitungen«Man hört das Knistern extrem» – Kritik an Stromnetz-Ausbau wird lauter
Der Stromverbrauch in der Schweiz steigt weiter an. Das macht einen Ausbau des Stromnetzes dringend nötig. Doch aus der Bevölkerung hagelt es immer wieder Einsprachen.
- von
- Dominik Fischer
Darum gehts
Das Schweizer Stromnetz muss dringend weiter ausgebaut werden.
Einsprachen und Beschwerden aus der Bevölkerung frieren die Ausbauprojekte jedoch immer wieder ein.
In der Politik gibt es nun Vorstösse, um den Einsprachen einen Riegel vorzuschieben.
Es knistert im Walliser Kurort Leukerbad: Dies zumindest behauptet der ansässige Gemeindepräsident. Grund für das Knistern sei dabei die Spannung auf den Stromleitungen, die durch die Gemeinde führen. Unlängst wurde diese von 220 auf 380 Kilovolt erhöht, wie das «NZZ Magazin» berichtet. Der Gemeindepräsident dazu: «Man hört es extrem».
Unmut wie beim Walliser Gemeindepräsident, dürfte in Zukunft in zahlreichen Schweizer Gemeinden aufkommen. Denn: Um den Ausstieg aus der Kernenergie zu schaffen, braucht die Schweiz bis ins Jahr 2050 rund ein Drittel mehr Strom, wie das «NZZ Magazin» schreibt. Dies geht auf Berechnungen des Bundesamts für Energie (BfE) zurück. Nicht zuletzt die drastische Zunahme an Elektro-Autos führt zu diesem höheren Verbrauch.
«Alle wollen Strom, aber niemand will eine Leitung vor der Tür»
Um das Ziel zu erreichen, soll die Zahl der Solar- und Windparks erhöht werden, ausserdem muss das Verteilnetz bis 2050 um bis zu 50 Prozent ausgebaut werden. Und: Swissgrid will die Spannung des Hochspannungsnetzes flächendeckend von 220 auf 380 Kilovolt erhöhen, wie dies nun in Leukerbad bereits geschehen ist.
Ob es dann auch in anderen Schweizer Gemeinden in der Luft knistert? Klar ist jedenfalls: An vielen Orten regt sich Widerstand aus der Bevölkerung gegen die Stromleitungen, die mitten durch die Dörfer gezogen werden sollen. Die BfE-Sprecherin Marianne Zünd bringt es auf den Punkt, wenn sie sagt: «Alle wollen genügend Strom, aber niemand eine Leitung vor der Tür.»
So hat es gegen den Ausbau der sogenannten Gemmileitung, die Strom aus dem Wallis in den Kanton Bern führt, 370 Einsprachen gegeben. Drei Beschwerden stehen heute noch vor dem Bundesverwaltungsgericht, wie das «NZZ Magazin» weiter berichtet.
Politik will Einsprachen einen Riegel vorschieben
Nun plant unter anderem die Eidgenössische Elektrizitätskommission, den Beschwerden der Bevölkerung einen Riegel vorzuschieben – um den Strom-Ausbau auch gegen deren Widerstand durchsetzen zu können. «Verfahrensbeschleunigungen sind notwendig, damit der Netzausbau realisiert werden kann», sagt dazu der Präsident der Eidgenössischen Elektrizitätskommission, Werner Luginbühl. Und auch für den Walliser CVP-Politiker Beat Rieder ist klar: «Wir müssen auch beim Netzausbau die Einsprachemöglichkeiten einschränken, damit die Verfahren schneller abgeschlossen werden können».
Dass der Ausbau des Stromnetzes dringend nötig ist, zeigen einige Stromproduzenten exemplarisch: So wird gleich an mehreren Orten mehr Strom produziert, als das Übertragungsnetz aufnehmen kann. Swissgrid-Sprecher Jan Schenk erklärt gegenüber dem «NZZ Magazin»: «Schon heute muss Swissgrid Kraftwerke regelmässig anweisen, ihre Produktion runterzufahren, weil die Kapazitäten im Netz nicht vorhanden sind.» Durch solche Eingriffe erhöhen die Instabilität des Stromnetzes – und können im schlimmsten Fall zu kurzfristigen Blackouts führen.
Gleichzeitig seien aktuell sieben der zwölf Ausbauprojekte von Swissgrid durch Einsprachen und Beschwerden blockiert. Nicht zuletzt deshalb hat Swissgrid nun die Kampagne «Unser Netz» gestartet. Darin geht es um eine «Dialogoffensive», die zeigen soll, «dass das Stromnetz uns alle angeht». Der Kampf zwischen den Stromproduzenten und der widerspenstigen Bevölkerung geht damit in die nächste Runde.
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