Bundesratswahlen«Man soll aufhören, wenn es noch Spass macht»
Acht Jahre sind genug! Nach dem Rechtsrutsch sagt Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf Tschüss. Sie begründet den Abgang nicht nur mit dem Wahlausgang.
- von
- Daniel Waldmeier
Es hatte sich nach dem Rechtsrutsch abgezeichnet: Nach acht Jahren geht die Ära Eveline Widmer-Schlumpf zu Ende. Die BDP-Finanzministerin tritt am 9. Dezember nicht mehr zu den Bundesratswahlen an. Dies hat sie heute vor den Medien in Bern bekanntgegeben – nachdem sie erst «allen Ernstes» noch über die zweite Etappe der Energiestrategie 2050 referierte. Die Magistratin wirkte gelöst und lachte wiederholt.
«Man sollte dann aufhören, wenn es noch Spass macht», begründete Widmer-Schlumpf den Abgang. Sie wolle mehr Zeit haben für andere Projekte und auch die Familie. «Ich habe intensive Jahre hinter mir.» Dies habe Substanz gekostet. Die Bundesrätin erinnerte etwa an die UBS-Rettung oder den Fall Polanski. Sie meine, ihren Job nicht schlecht gemacht zu haben.
«Wahlen nicht der einzige Grund»
Die 59-Jährige hatte ihren Entscheid, ob sie nochmals antritt, vom Ausgang der eidgenössischen Wahlen abhängig gemacht. Mit den Gewinnen von SVP und FDP – die beiden Parteien gewannen allein im Nationalrat 14 Mandate hinzu – hätte ihr die Schmach einer Abwahl gedroht. Dies sei mit ein Grund gewesen, aber nicht der einzige, sagte Widmer-Schlumpf an der Pressekonferenz. Sie habe sich schon vor den Wahlen mit Familie und Freunden besprochen.
Mit dem Rückzug der Bundesrätin steigen laut Beobachtern die Chancen, dass die SVP als stärkste Partei des Landes künftig wieder einen zweiten Vertreter in der Landesregierung stellen wird.
Putsch gegen Blocher
Der Stern von Widmer-Schlumpf war am 12. Dezember 2007 aufgegangen. Die Bundesversammlung hievte die damalige Bündner SVP-Regierungsrätin an der Stelle Christoph Blochers ins Amt. Sie erhielt 125 Stimmen – zehn mehr als der amtierende Justizminister. Linke und CVP feierten den Putsch im Nationalratssaal mit stehenden Ovationen.
Die Abwahl Blochers löste ein politisches Erdbeben aus: Die SVP schloss Eveline Widmer-Schlumpf aus der Partei aus, die BDP wurde gegründet. Vier Jahre später wurde die Bündnerin in ihrem Amt bestätigt. Das Verhältnis zur SVP blieb jedoch für immer zerrüttet.
Eine umstrittene Figur
Widmer-Schlumpf hatte zunächst das Justizdepartment inne, bevor sie 2010 das Finanzdepartement übernahm. 2012 wurde sie Bundespräsidentin. Von grossen Skandalen blieb Widmer-Schlumpf während ihrer Amtszeit verschont. Unter ihrer Ägide wurde der Steuerstreit mit den USA beigelegt und das Bankgeheimnis endgültig beerdigt. Zudem trug sie den Atomausstieg mit. Kritik musste sie für die gescheiterte Reorganisation des Bundesamt für Migration einstecken.
In Bundesbern galt die Tochter von Alt-Bundesrat Leon Schlumpf als ausnehmend fleissig, kompetent und dossiersicher. Gleichzeitig sagten ihr gerade Bürgerliche nach, ein machtbesessener Kontrollfreak zu sein.
In der Öffentlichkeit konnte die Schweizerin des Jahres 2008 jedoch immer wieder punkten – etwa mit einem Auftritt bei «Giacobbo/Müller». Der «Blick» veröffentlichte daraufhin gar eine Liebeserklärung an die BDP-Frau: «Sie, Frau Widmer-Schlumpf, haben die Talkmaster gebändigt. Wie eine Amazone. Ohne Peitsche, dafür mit Humor, Selbstbewusstsein, Sachverstand und Ihren stets streng hochgezogenen Augenbrauen. Prädikat: sehr sexy!»
Kurz nach der Annahme der Wahl im Jahr 2007 hatte die Mutter dreier erwachsener Kinder erklärt, sie lasse sich auf das Experiment ein. Es sollte acht Jahre lang dauern.