Zunahme von häuslicher Gewalt «Manche Männer glauben, dass Gesetze in ihren vier Wänden nicht gelten»
Mit einer intensiveren Nachbetreuung sollen Männer, die ihre Frauen schlagen, nicht mehr rückfällig werden. Der Kanton Zug will in Zukunft genauer hinschauen und reagieren.
- von
- Tino Limacher
Darum gehts
Die Fälle häuslicher Gewalt sind im Kanton Zug in den Jahren von 2017 auf 2018 angestiegen. Deshalb beschloss der Kanton Zug 2019, Massnahmen zur Bekämpfung dieses Problems einzuleiten. Zum diesjährigen Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, der am Donnerstag stattfindet, hat die Sicherheitsdirektion zusammen mit den involvierten Stellen am Mittwoch diese Massnahmen der Öffentlichkeit vorgestellt.
Intensivere Nachbetreuung der Täter
«Wir fragten uns, was wir als Behörde noch tun können, um die Fälle häuslicher Gewalt zu reduzieren. Als neue Massnahme setzen wir unter anderem auf eine intensivere Betreuung der Täter, damit sie nicht rückfällig werden», sagt der Zuger Regierungsrat Beat Villiger. Konkret können neu die Staatsanwaltschaft oder das Gericht eine beschuldigte Person dazu verpflichten, Kurse gegen Gewalt zu besuchen. Bereits jetzt kam diese Massnahme zum Einsatz, wobei der Vollzugs- und Bewährungsdienst des Amts für Justizvollzugs (VBD) die Lernprogramme durchführte. Villiger: «Die Polizei wird auch weiterhin an die freiwillige Teilnahme der Kurse appellieren, wenn sie wegen Gewalt zu einem Einsatz gerufen werden.» Neu soll auch die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Vereinen der Opferhilfe gestärkt werden.
Ebenfalls wurde die Fachstelle häusliche Gewalt bei der Zuger Polizei um rund 200 Stellenprozente ausgebaut. Damit möchte man eine kurzzeitige Nachbetreuung der Opfer und Täter per Telefon gewährleisten. Bereits wurden in diesem Zusammenhang gegen 800 Telefonate pro Jahr getätigt. Im Rahmen der Aktion «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» hat der Kanton Zug auch eine Kampagne gestartet, um die Bevölkerung bezüglich häuslicher Gewalt zu sensibilisieren. Für diesen Zweck ist eine Website aufgeschaltet worden, auf der Opfer Informationen, Hilfsangebote sowie eine Anlaufstelle finden.
Genaue Zahlen fehlen
Auf Anfrage von 20 Minuten, ob der Kanton Zug die Hintergründe zu den Fällen häuslicher Gewalt kennt, sagt Villiger: «Das ist ebenfalls ein Ziel unserer neuen Offensive: So wollen wir künftig die Fälle statistisch genauer erfassen. Denn wir wissen einfach zu wenig über die Muster, wer involviert ist oder wo solche Situationen eintreten.» Villiger sagt aber: «In gewissen Haushalten herrschen noch patriarchalische Zustände. Solche Männer gehen manchmal davon aus, dass für sie die Gesetze in den eigenen vier Wänden nicht mehr gelten.» Jedoch gibt es auch Frauen, die zu Hause Gewalt anwenden. «Etwa 80 Prozent der Täter sind Männer, 20 Prozent aber auch Frauen.»
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
Agredis, Gewaltberatung von Mann zu Mann, Tel. 078 744 88 88
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147