Obergericht Zürich: Mann (21) fuhr Polizistin an – und will 11-jährige Haftstrafe nicht akzeptieren

Obergericht Zürich21-Jähriger muss 14 Jahre ins Gefängnis, weil er Polizistin fast tot fuhr

Das Bezirksgericht Zürich verurteilte einen 21-Jährigen wegen schwerer Körperverletzung zu über elf Jahren Gefängnis. Der Staatsanwalt legte jedoch Berufung gegen das Urteil ein: Er fordert 16 Jahre Gefängnis wegen versuchten Mordes.

1 / 5
Auf dem Strichplatz in Zürich-Altstetten bei der Europabrücke kam es im Februar 2020 beinahe zu einer tödlichen Raserfahrt.

Auf dem Strichplatz in Zürich-Altstetten bei der Europabrücke kam es im Februar 2020 beinahe zu einer tödlichen Raserfahrt.

20 min/hoh
Ein junger Mann hatte eine Stadtpolizistin, welche ihn kontrollieren wollte, angefahren und 16 Meter weit mitgeschleppt.

Ein junger Mann hatte eine Stadtpolizistin, welche ihn kontrollieren wollte, angefahren und 16 Meter weit mitgeschleppt.

20min/hoh
Der Lenker war mit seiner Freundin und drei Kollegen auf dem Strichplatz und sie filmten verbotenerweise die Sexarbeiterinnen. 

Der Lenker war mit seiner Freundin und drei Kollegen auf dem Strichplatz und sie filmten verbotenerweise die Sexarbeiterinnen. 

20min/hoh

Deine Meinung

Montag, 22.05.2023
14:25

Gericht wiederholt Worte des Staatsanwalts

Laut dem Richter hat der Beschuldigte den Aufprall «zweifellos» bemerkt und hat sich nicht um die Verunfallte gekümmert. «Sie wollten die Frau zwar nicht töten, aber Sie haben es in Kauf genommen.» Das Gericht wiederholt die Worte des Staatsanwalts: «Sie wollten flüchten, koste es, was es wolle.»

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

14:21

14 Jahre Gefängnis

Der Richter eröffnet das Urteil und spricht den 21-Jährigen der versuchten vorsätzlichen Tötung und der mehrfachen Gefährdung des Lebens schuldig. Der Beschuldigte muss 14 Jahre ins Gefängnis und eine Busse von 1200 Franken bezahlen. Ausserdem muss er sich einer ambulanten Behandlung unterziehen.

Beschuldigter ergreift das Schlusswort

«Ich möchte mich von Herzen bei der Geschädigten entschuldigen und wünsche ihr eine baldige Besserung

Das Urteil wird um 14.15 Uhr verkündet.

Anwalt der Polizistin: «Sie leidet noch bis heute unter den Folgen des Angriffes»

Der Privatkläger-Vertreter der Polizistin tritt nun ans Rednerpult. «Meine Mandantin leidet heute noch unter den Folgen des Angriffes – auf seelischer und körperlicher Ebene.» Es sei bis heute unklar, welche polizeilichen Arbeiten die Frau in Zukunft noch werde ausüben können.

10:57

Staatsanwalt: «Der Beschuldigte setzte sein Auto wie eine Waffe ein»

Der Staatsanwalt ergreift erneut das Wort. In seinem ersten Plädoyer hatte er gesagt, dass der Beschuldigte sein Auto wie eine Feuerwaffe eingesetzt habe. Der Verteidiger nannte diese Aussage reisserisch.

Nun sagt aber der Staatsanwalt: «Wenn man zur Flucht einfach auf Menschen losfährt, dann ist das so, wie wenn man mit einer Feuerwaffe auf Menschen schiessen würde. Das Auto wurde hier wie eine Waffe verwendet, es sollte ihm zur Flucht verhelfen. Das kann man nicht bestreiten.»

10:41

Unterschiedliche Anträge

Während der Staatsanwalt auf versuchten Mord klagt, stellt die Verteidigung unter anderem die Anträge, den 21-Jährigen wegen mehrfacher Gefährdung des Lebens und der fahrlässigen schweren Körperverletzung zu verurteilen. Beide Verurteilungen sehen Freiheitsstrafen vor.

10:27

«Niemand realisierte die Kollision»

Wie der Verteidiger schildert, hätten die Freunde, welche mit dem Beschuldigten im Auto sassen, die Kollision nicht bemerkt. «Wir standen unter Adrenalin und wollten einfach weg», so eine der Insassen.

10:24

Verteidigung: «Keine Lebensgefahr für umstehende Personen»

Die Verteidigung macht diverse Ausführungen zu den Personen, welche um das Auto herum standen und sagten, dass sie dem Fahrzeug ausweichen mussten. «Die Problematik dieser diversen Aussagen ist: Die Gruppe, welche an jenem Abend Schlimmes erlebt hat, wird für die Gruppe und nicht zugunsten meines Klienten aussagen.»

Alles sei sehr schnell gegangen, die Standorte der Personen vor und nach der Tat seien unklar, so die Verteidigung weiter. «Eine Zeugin musste nur einen Schritt zurückgehen und nicht zur Seite springen: Da kann man nicht von Lebensgefahr sprechen.»

10:02

21-Jähriger will Waffe bei der Polizistin gesehen haben

Der Anwalt bezieht sich auf die erste Einvernahme seines Klienten, weil diese mit kleinstem Abstand zur Tatnacht geschehen sei. «Er sagte, dass er in eine Polizeikontrolle gekommen sei, wobei zwei Polizisten und zwei Prostituierte ans Auto traten. Auf seiner, also der Fahrerseite, sei die Polizistin gestanden.»

Im Verlauf der Kontrolle habe die Polizistin, so glaubte sein Klient, die Waffe gezogen. «Da hat er sich sehr wahrscheinlich getäuscht, nichtsdestotrotz ängstigte ihn diese Annahme. Er wollte nur noch weg.» Dass er die Polizistin anfuhr und mitschleifte, hätte er in seiner Panik nicht realisiert.

09:37

Pause

Die Verhandlung wird um 9.45 Uhr fortgesetzt.

09:24

Keine bösen Absichten

«Mein Klient wollte nie jemanden vorsätzlich verletzen», sagt die Verteidigung. Aus purem Blödsinn hätten der 21-Jährige und seine Freunde den Strichplatz erkunden und Aufnahmen von Sexarbeiterinnen machen wollen – mehr nicht.

09:18

21-Jähriger schrieb Entschuldigungsbrief

Das Wegfahren begründet der Anwalt des 21-Jährigen damit, dass sein Klient dabei instinktiv gehandelt habe. «Dabei leisteten auch die Insassen des Fahrzeugs, das mein Klient lenkte, keine Hilfe.» Stattdessen sei wild herumgeschrien worden. Zu den widersprüchlichen Aussagen sagt der Anwalt: «Wenn mein Klient etwas nicht gesehen haben soll oder will, liegt daran, dass er diese schlimme Nacht hat verdrängen wollen.»

«Klar ist: Die Tat ist selbstverschuldet. Nichtsdestotrotz ist es ungerecht, wenn die Staatsanwaltschaft behauptet, die Entschuldigung meines Klienten sei nicht ernst gemeint.» So habe der 21-Jährige unter anderem einen Entschuldigungsbrief an die Polizistin gesendet.

09:13

Anwalt des Beschuldigten fordert sechs Jahre Gefängnis

Die Verteidigung fordert eine deutlich kürzere Freiheitsstrafe: 6 Jahre. Ausserdem fordert der Anwalt des 21-Jährigen eine stationäre therapeutische Massnahme für seinen Klienten. «Der Vollzug der Freiheitsstrafe sei zugunsten der therapeutischen Massnahme aufzuschieben.»

08:54

«Nicht einmal der mögliche Tod der Frau brachte ihn vom Feiern ab»

Der Staatsanwalt spricht das Nachtatverhalten an: «Der Beschuldigte wusste, dass er mindestens eine Person überfahren hat. Doch das hinderte ihn nicht daran, gegen drei Uhr morgens Kokain zu konsumieren.» Das Verhalten zeige die besondere Kaltblütigkeit des 21-Jährigen. «Nicht einmal der mögliche Tod der Frau brachte ihn vom Feiern ab.»

Der Beschuldigte sei nicht geständig, er habe nur anerkannt, was nicht bestreitbar war. «Doch nicht nur das: Er zeigte auch nie wirklich Reue.»

08:44

Staatsanwalt: «Videoaufnahmen zeigen, dass die Geschädigte inmitten des Fahrwegs stand»

Der Staatsanwalt spricht eine Videoaufnahme an, welches die Tat zeigt: «Die Geschädigte war inmitten des Fahrwegs des Beschuldigten.» Der Beschuldigte habe deshalb wissen müssen, dass das Auto mit der Frau kollidieren wird. «Das Opfer klatschte beim Aufprall seitlich auf die Motorhaube, das zeigen die Aufnahmen.»

Des weiteren hätten sich neben der 38-jährigen Polizistin noch andere Personen um das Fahrzeug befunden. Der Beschuldigte habe deshalb damit rechnen müssen, mit seinen Fahrmanövern noch andere Personen zu gefährden oder gar töten zu können.

08:36

«Er wollte fliehen, koste es, was es wolle»

Der Staatsanwalt fordert eine Gefängnisstrafe von 16 Jahren sowie eine Geldstrafe. Die Verfahrenskosten seien ihm aufzuerlegen. Der Beschuldigte behaupte, er habe einen inneren Kurzschluss erlebt und niemanden verletzten wollen, doch die Staatsanwaltschaft sieht das anders: «Er wollte fliehen, koste es, was es wolle», so der Staatsanwalt.

Auch spricht der Staatsanwalt das Aussageverhalten Beschuldigten an: «Bei jeder Einvernahme sagte er etwas anderes: Zuerst hiess es, er habe die Polizistin gesehen. Dann soll sie vor sein Auto gerannt sein, bei der dritten Einvernahme hiess es wieder etwas anderes und bei der Schlusseinvernahme behauptete der Beschuldigte, dass er sich habe kontrollieren lassen wollen.»

08:29

Hohe Rückfallgefahr

Laut des Gutachters besteht für den Angeklagten eine hohe Rückfallgefahr für Straftaten, falls der Angeklagte die Behandlung nicht antritt. Der 21-Jährige hat bisher drei Jugendstrafen auf dem Register. Vor der Verhaftung konsumierte der Angeklagte Drogen wie Kokain, Cannabis und Ecstay. Laut dem Psychiatrischen Gutachten ist der 21-Jährige Cannabis-abhängig.

Auf die Frage, was der Angeklagte nach seiner Haftstrafe machen will, sagt er: «Ich will eine Lehre als Schreiner machen.» Zum Tatzeitpunkt, als der Angeklagte 18 Jahre alt war, war er arbeitslos.

08:22

Gutachter diagnostizierte dissoziative Persönlichkeitsstörung

Der Prozess beginnt kurz nach acht Uhr. Der Beschuldigte sitzt derzeit in Affoltern am Albis in Haft. Laut des Richters diagnostizierte der Gutachter beim Angeklagten eine dissoziative Persönlichkeitsstörung, das Gericht ordnete deshalb eine psychiatrische Behandlung an. Wie der 21-Jährige sagt, sei er gewillt sich behandeln zu lassen.

Sonntag, 21.05.2023

Polizistin fast zu Tode gefahren

Ein heute 21-jähriger Schweizer mit Wurzeln aus dem Kosovo wurde vom Bezirksgericht Zürich im Januar 2022 wegen schwerer Körperverletzung und diverser Raserdelikte zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und drei Monaten verurteilt. Beide Parteien, Staatsanwalt und Angeklagter, legten Berufung gegen das Urteil ein. Heute kommt der Fall vor das Obergericht, wo er neu verhandelt wird.

Der damals 18-jährige Arbeitslose fotografierte aus seinem Auto heraus diverse Prostituierte. Eine Sexarbeiterin wandte sich deshalb an die in Zivil gekleideten Sicherheitskräfte, darunter eine 38-jährige Polizistin.

Zusammen mit ihren Berufskollegen trat die Polizistin ans Auto des 18-Jährigen. Die Sicherheitskräfte forderten den Lenker auf, sein Fahrzeug auf einem Parkfeld abzustellen. Der 18-Jährige kam der Aufforderung aber nicht nach. Stattdessen fuhr er die Polizistin an.

Dabei verkeilte sich das linke Bein der 38-Jährigen zwischen dem Vorderrad und dem Radhaus. Die Frau fiel zu Boden und wurde über 15 Meter vom Auto mitgeschleift, das mit einer Geschwindigkeit von knapp 40 km/h über den Platz rollte.