Gelbes Dreieck auf Brust: Marseille etikettiert seine Obdachlosen

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Gelbes Dreieck auf BrustMarseille etikettiert seine Obdachlosen

Die Verwaltung der Stadt Marseille zwingt Obdachlose, ein gelbes Dreieck auf der Brust zu tragen. Eine Analogie zur Judenverfolgung will hier keiner bemerkt haben.

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Der obdachlose Arnaud muss seit dem 3. Dezember 2014 ein gelbes Dreieck auf seiner Brust tragen. So will es die Stadtverwaltung von Marseille. Auf der Karte steht die Krankheitsgeschichte des Clochards.

Der obdachlose Arnaud muss seit dem 3. Dezember 2014 ein gelbes Dreieck auf seiner Brust tragen. So will es die Stadtverwaltung von Marseille. Auf der Karte steht die Krankheitsgeschichte des Clochards.

AFP/Anne-christine Poujoulat
Was als gute gemeinte Idee begann, kommt bei Menschenrechtsorganisationen nicht gut an. Einerseits erinnere das Dreieck an die Judenverfolgung während des Zweiten Weltkriegs. Anderseits seien die Obdachlosen damit für Passanten sofort als Clochards erkennbar. Dies führe zu Diskriminierung und noch mehr Isolation.

Was als gute gemeinte Idee begann, kommt bei Menschenrechtsorganisationen nicht gut an. Einerseits erinnere das Dreieck an die Judenverfolgung während des Zweiten Weltkriegs. Anderseits seien die Obdachlosen damit für Passanten sofort als Clochards erkennbar. Dies führe zu Diskriminierung und noch mehr Isolation.

AFP/Anne-christine Poujoulat
Nur der Mann hinter dem Projekt sieht darin kein Problem. Für Xavier Méry von der Stadtverwaltung ist dies nur eine «absurde Polemik».

Nur der Mann hinter dem Projekt sieht darin kein Problem. Für Xavier Méry von der Stadtverwaltung ist dies nur eine «absurde Polemik».

AFP/Anne-christine Poujoulat

In Marseille sorgt ein Projekt der Stadtverwaltung für Ärger: Die Behörde hat einen speziellen Ausweis für Obdachlose entworfen. Darauf sind Angaben zu Krankheiten und weitere persönliche Informationen festgehalten.

Auf den ersten Blick tönt es nach einer guten Idee: Den Clochards könne während der Winterzeit besser und schneller geholfen werden, wenn das Personal des «Samu Social», des kommunalen Rettungsdienstes, oder die Ärzte im Spital die Krankheitsgeschichte des obdachlosen Patienten – Allergien oder Krankheiten wie Aids oder Schizophrenie — rasch ablesen könnten.

Gute Idee falsch ausgelegt

Die Kontroverse um den Obdachlosen-Ausweis liegt im Prinzip nicht am Inhalt, sondern am Format des Dokuments: ein gelbes Dreieck, das die sogenannten «Sans domicile fixe» («Menschen ohne festen Wohnsitz») gut sichtbar auf der Brust zu tragen haben.

Laut «Le Monde» regen sich diverse Menschenrechtsorganisationen darüber auf. Zum einen erinnere das Dreieck an die Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg. Zum anderen sind die Clochards damit für Passanten sofort als Obdachlose erkennbar. Dies führe zu Diskriminierung und noch mehr Isolation, so die französische Menschenrechtsliga LDH. Die Hilfsorganisation «Secours populaire» weist zudem darauf hin, dass auch Hilfsbedürftige ein Recht auf Anonymität hätten.

Der Projektleiter ist vom Projekt überzeugt

«Die Menschen, die auf den Strassen leben, wollen lieber beim Vornamen genannt werden. Mit dieser Karte, die man ihnen um den Hals hängt, tut man ihnen kein Gefallen», sagt auch der Leiter des sozialen Notrufs gegenüber Europe1.

Der Obdachlose Arnaud meint gegenüber der Zeitung «La Provence»: «Die Stigmatisation ist unerträglich. Können Sie sich die Reaktionen der Menschen vorstellen, wenn Sie im Bus fahren und eine Karte tragen, auf der angegeben ist, dass Sie an Schizophrenie leiden oder an Aids erkrankt sind?»

Nur die Stadtverwaltung will bislang keine Fehler einräumen. Die Diskussionen um das gelbe Dreieck seien «absurde Polemik», schreibt Projektleiter Xavier Méry in einer Mitteilung.

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