
Die elektrische Variante GV70 von Genesis fährt sich leicht und angenehm.
Fahrtest Electrified Genesis GV70Massagen und Noise-Cancelling – mit dem Elektro-SUV nach St. Moritz
Die elektrische Variante GV70 des koreanischen Herstellers Genesis fährt sich leicht und angenehm in die Berge und wieder zurück. Das hat nicht zuletzt mit zahlreichen Gimmicks zu tun.
- von
- Gaudenz Valentin Looser
Die Anlieferung des Testwagens in Zürich ist spektakulär: Autos werden auch echten Kunden von Genesis bei der Auslieferung nach Hause gebracht. Aber nicht etwa von einem Chauffeur gefahren, sondern transportiert von einem LKW und persönlich übergeben von einem Genesis Personal Assistant. Gemäss Piergiorgio Cecco, Regional Operations Manager von Genesis Schweiz, ist das «typisch koreanische Hospitality». Es sei eben wichtig, dass der Wagen quasi unberührt dem Kunden übergeben werde.
Gimmicks a gogo
Dass gerade neue elektrisch betriebene Autos die Elektronik auch bei den Sicherheits- und Komfortfunktionen ausschöpfen, ist nichts Neues. Beeindruckend ist beim GV70 aber die schiere Fülle:

Convenience: Der Sitz macht Platz zum Einsteigen.
Convenience: Der Sitz rutscht beim Öffnen der Tür nach hinten, um das Einsteigen zu erleichtern, und fährt danach in die programmierbare Idealposition zurück. Man habe besonders viel in gute Sitze investiert, sagt Cecco. Das zahle sich gerade bei langen Fahrten aus.

Der «Ergo-Motion-Sitz» bietet «sanftes Stretching» für Rücken und Po, «mittel» oder «stark», zehn, 15 oder 20 Minuten lang.
Wellness für den Po: Der Sitz ist tatsächlich auch nach zwei Stunden Fahrt sehr bequem. Er verfügt über eine Massagefunktion für Rücken und/oder Gesäss, einstellbar nach Dauer und nach verschiedenen Stärken.
Plötzliche Umarmung von hinten: Doch das ist nicht das Beste. Wer auf der Überholspur schneller als 130 fährt, der spürt plötzlich, wie sich der Sitz – wie bei einer Umarmung von hinten – rechts und links seitlich an den Rücken schmiegt: Die Rennsitz-Einstellung, die auch bei höheren Tempi für guten Halt sorgen soll.
Noch leiser als ein Elektrofahrzeug: Die Kabine wird mit Frequenzen beschallt, die die Aussengeräusche neutralisieren. Also wie ein befahrbarer Noise-Cancelling-Kopfhörer.
Schutz vor Smog: Auch sonst handelt der GV70 gerne selbstständig: Vor einem Tunnel schliessen die Fenster automatisch und öffnen sich danach wieder bis zur ursprünglichen Position.
Bye bye Ladekabel: Das Handy lädt induktiv, also ohne Kabelsalat – im eigenen Fach.

Das elektronische Universum bei Genesis ist umfangreich und vielseitig. Die Sprachsteuerung erreicht eine mit Siri vergleichbare Treffsicherheit.
Sicher wie in Abrahams Schoss: Sicherheitsfeatures wie Totwinkelkamera im Display beim Spurwechsel und zweifache optische Annäherungswarnung von hinten sind auf längeren Fahrten total entspannend. Eine Terrainkamera antizipiert zudem Bodenwellen und stellt die Federung nötigenfalls weicher ein.
Hallo, bist du noch fit? Und damit man sich dann doch nicht allzu sehr entspannt oder gar einschläft am Steuer, meldet sich nach einer Stunde Fahrt ungefragt die Massagefunktion.

Eine stromfressende Spielerei für kleine Machtdemonstrationen: Booster-Knopf im Lenkrad.
Für grosse Buben und Mädchen: Eine Spielerei ist der Boost-Knopf im Lenkrad: Er verleiht dem Wagen für zehn Sekunden extra Schub für brenzlige Situationen oder kleine Machtdemonstrationen. Dass die Funktion in einem separaten Button und nicht etwa im Gaspedal integriert ist, dürfte aber auch damit zu tun haben, dass man sie nur schon aus ladestrategischen Gründen nicht allzu grosszügig einsetzen sollte.
Kultur
Genesis ist anders. Die Koreaner fahren eine aussergewöhnliche Service-Strategie, die dem Kunden so viel Ärger und Zeit erspart wie irgend möglich. Im Kaufpreis inklusive ist die Mobilitätsgarantie, egal, wo sich der Kunde gerade befindet. Muss der Wagen in die Werkstatt, wird er abgeholt und gleichzeitig der Ersatzwagen gebracht. Der Pneuwechsel zwei Mal pro Jahr nach demselben System kann hinzugebucht werden. In Partnerschaft mit Schweizer Luxushotels organisiert Genesis zudem Sonntagsbrunche für die Kunden: Während diese sich im Speisesaal verpflegen oder wellnessen, holt Genesis die Wagen ab, um alles Notwendige zu erledigen.
Mitarbeitende müssen sich umstellen. Diese aussergewöhnliche Service-Mentalität zu verinnerlichen und zu leben, fällt nicht allen Mitarbeitenden gleich leicht. Cecco: «Wenn wir Mitarbeitende mit langjähriger Erfahrung aus der Autobranche rekrutieren, empfehle ich, dass die neuen Kollegen mindestens sechs Monate Auszeit nehmen.» Nur so gelinge es, die gelernten Mechanismen und Reflexe abzulegen und sich die neue Haltung anzueignen.

Ins Hotel statt in die Werkstatt: Der Lenker macht Wellness, während die Winterpneus gewechselt werden.
It’s all about time: Dass Zeit im digitalen Zeitalter die wichtigste Währung ist, hat längst nicht nur Genesis erkannt. Doch im Bereich Elektromobilität ist das Argument besonders stichhaltig. Denn: Das Laden auf längeren Strecken ist und bleibt im Vergleich zum traditionellen Tanken ein unberechenbares Ärgernis, das es auf jeder verfügbaren anderen Ebene zu kompensieren gilt. An der Schnellladestation auf der Autobahnraststätte herrscht auf dem Hin- und dem Rückweg Hochbetrieb. Wer einen der wenigen Plätze ergattern will, braucht Geduld. Mal ist dann eine der Säulen ausser Betrieb, mal akzeptiert sie die Ladekarte nicht. Immerhin: Beim GV70 dauert das Laden bei rechtzeitig aufgewärmter Batterie deutlich weniger lang als bei vielen anderen. Dank 800-Volt-Technologie verspricht Genesis eine Ladung von zehn Prozent auf 80 Prozent in 18 Minuten. (Dass das die Ladegeschwindigkeit bei den Mitladenden mit 400-Volt-Technologie zusätzlich verlangsamt, verschweigt der Geniesser und setzt sich an die Sonne.)
Hybride Mobilität: Auch auf die manchmal unangenehme Limitierung des elektrischen Antriebs hat Genesis eine Antwort. Kunden, die eine längere Reise ins Ausland planen, stellt die Firma «kostenfrei» einen Benziner oder Diesel zur Verfügung. Bezahlen müssen Privatkunden lediglich ein Kilometergeld von 80 Rappen.
Wirkung: Die Reaktionen des Publikums auf den GV70 sind deutlich spürbar. Aufgrund seines ungewöhnlichen Designs und seiner noch eher dünnen Verbreitung wirkt der GV70 auf Passanten exklusiver, sprich: teurer, als er ist und sorgt zumindest bei jugendlichen Carspottern durchaus für einen gewissen Wow-Effekt.

Das Laden unterwegs ist und bleibt ein unberechenbares Ärgernis. Umso wichtiger ist das Argument der Zeitersparnis überall sonst.
Preis
Fixpreise beim Auto: Was im Katalog steht, das gilt. Verhandeln bringt nichts und auch für Firmenkunden sind Flottenrabatte in Cash ausgeschlossen. Dafür gibts bei grösseren Volumen Dienstleistungen günstiger oder gratis, etwa den Pneuwechsel oder die hybride Mobilität. Einen Genesis gibts ab 50’000 Franken. Der getestete Electrified GV70 kostet ab 72’100.
Fixpreise beim Strom: Enthalten im Fünf-Jahres-Paket ist auch ein verbindlicher Strompreis von 27 Rappen pro Kwh bei IONITY Stromsäulen. Das kann sich durchaus rechnen und schützt vor bösen Überraschungen.
Wofür reut es dich am meisten, Zeit aufzuwenden?