«Angebereien»Matratzen aus dem Netz fallen bei Experten durch
An Matratzen-Werbung kommt man auf Social Media derzeit kaum vorbei. Doch Fachleute bezweifeln die Qualität von Casper, Emma, Bruno oder Eve.
- von
- V. Blank
Wer gut schlafen will, braucht eine gute Matratze. Doch stundenlange Rundgänge durchs Möbelhaus in der Agglo und Verkaufsgespräche über Schlafgewohnheiten und Härtegrade passen nicht zur jungen Generation, dachten sich findige Jungunternehmer. Sie verkaufen Matratzen jetzt exklusiv im Internet. Ihre Produkte heissen Casper, Emma, Bruno oder Eve.
Gemeinsam haben die Matratzen nicht nur, dass sie alle einen gängigen Vornamen tragen. Sie haben einen grauen oder bunten Rand und nur einen Härtegrad, frei nach dem Motto: «Eine Matratze für jeden Typ.» Geliefert werden sie meist gerollt in einer Box, und sogar die Preise sind fast gleich: Eine im Internet angebotene Matratze mit dem Massen 90 x 200 cm kostet zwischen 495 Franken (Casper) und 549 Franken (Emma, Eve). Die Lieferung ist gratis, und wer nicht zufrieden ist, kann das Produkt bei den meisten Anbietern nach hundert Nächten zurückgeben.
Stiftung Warentest findet zahllose Kritikpunkte
Gemeinsam ist den Anbietern auch die forsche Werbung, die an die Anfangszeiten von Zalando erinnert. Waren es beim Online-Modehändler die Werbespots mit kreischenden Kunden, sind es bei den Internet-Matratzen die Anzeigen auf Instagram, Twitter und Facebook, an denen derzeit kaum einer vorbeikommt. Casper bezeichnet sein Produkt ganz unbescheiden als «Matratze deines Lebens», Eve findet selbstbewusst, man produziere «die bequemste Matratze der Welt».
Das seien «alles Angebereien», schreibt hingegen die Stiftung Warentest aus Deutschland, die im vergangenen Herbst einen Testbericht über die Internet-Direktversender veröffentlicht hat. Bei Eve und Emma wurde etwa ein extrem störender Geruch bemängelt. Weitere Kritikpunkte waren die mangelhafte Verarbeitung oder der grosse Einfluss von Feuchtigkeit und Temperatur.
Auch das «Passt für alle»-Versprechen konnten die getesteten Matratzen nicht einhalten. Den Anspruch an ein Universalprodukt erfülle am ehesten noch der Anbieter Smood, heisst es im Testbericht. Eve, Bruno oder Emma würden sich nur für kleine, leichte Personen mit Schwerpunkt rund um das Becken eignen.
«Von Matratzen haben sie nicht viel Ahnung»
Wenig Begeisterung zeigt auch der Schweizer Matratzenexperte Roman Corbat. Er arbeitet seit Jahren in der Branche und entwickelt eigene Premium-Matratzen. Verteufeln will er Casper, Bruno und Co. zwar nicht – «für die erste Studenten-WG gehen sie allemal». Aber die Qualität der Produkte sei stark anzuzweifeln. «Diese Unternehmen sind stark im Social-Media-Marketing, aber von Matratzen selber haben sie nicht viel Ahnung.»
Jungen Schweizern mit kleinem Budget rät Corbat deshalb den Gang zu Migros, Lipo oder Ikea. «Es gibt so viele Anbieter in der Schweiz, die bessere und teils auch günstigere Matratzen haben.» Der Lifestyle-Faktor fehle dabei vielleicht, aber eine gute Beratung sei beim Thema Schlaf entscheidender. «Im Matratzen-Business braucht es keine trendigen Händler, sondern kompetente Berater.»
Konsumentenschutz rät zur Vorsicht
Es gibt noch keine Zahlen, wie viele der Internet-Matratzen in der Schweiz abgesetzt werden. Die Start-ups sind erst seit kurzem in der Schweiz aktiv, Casper beispielsweise erst seit vergangenem Sommer. Beschwerden habe es noch keine gegeben, sagt Sara Stalder, Geschäftsleiterin bei der Stiftung für Konsumentenschutz. Dennoch rät sie beim Onlinekauf von Matratzen zur Vorsicht – wichtig sei vor allem, die Rückgabebedingungen genau zu prüfen. «Nur, wenn man die Matratze zurückgeben kann, sollte man sich auf dieses Experiment einlassen», rät Stalder.
Ausserdem solle man sich von den vermeintlich günstigen Preisen nicht blenden lassen: «Ein Preisvergleich mit dem traditionellen Handel lohnt sich allemal – und es können Folgekosten anfallen, die ein vermeintliches Schnäppchen in ein teures Unterfangen verwandeln können.»