FBI-FahndungMega-Kunstraub: Täter bekannt – Bilder gesucht
Im grössten Kunstraub der US-Geschichte hat das FBI nach 23 Jahren die Täter identifiziert. Doch das Diebesgut bleibt verschwunden. Nun soll die Bevölkerung helfen.
- von
- Peter Blunschi

Richard DesLauriers, Chef des FBI-Büros in Boston, neben einem Fahndungsplakat für das Gemälde «Sturm auf dem See Genezareth» von Rembrandt.
Es war ein Coup von unglaublicher Dreistigkeit: Am frühen Morgen des 18. März 1990 überwältigten zwei als Polizisten verkleidete Männer die beiden Nachtwächter des Isabella Stewart Gardner Museums in Boston. Während geschlagenen 81 Minuten entwendeten sie aus dem schlecht gesicherten Gebäude insgesamt 13 Kunstwerke, darunter unermesslich wertvolle Gemälde von Vermeer, Rembrandt, Manet und Degas, die direkt aus dem Rahmen geschnitten wurden. Experten schätzen den Wert der Beute auf 500 Millionen Dollar. Damit handelt es sich um den grössten Diebstahl in der Geschichte Amerikas.
Während Jahren blieb die Fahndung erfolglos. Doch nun hat die Bundespolizei FBI pünktlich zum 23. Jahrestag enthüllt, dass die Identität der Täter bekannt sei. Sie gehörten zu einer kriminellen Organisation an der Ostküste. Die Namen jedoch hält das FBI zurück, was in den USA ungewöhnlich ist. Der Grund dafür ist einfach: Von den gestohlenen Kunstwerken fehlt nach wie vor jede Spur. Man habe herausgefunden, dass sie in den Jahren nach dem Diebstahl in den Bundesstaat Connecticut und nach Philadelphia gebracht wurden, sagte Richard DesLauriers, der Chef des Bostoner FBI-Büros, an einer Medienkonferenz.
Fünf Millionen Dollar Belohnung
In Philadelphia sollen die Bilder vor rund zehn Jahren zum Kauf angeboten worden sein. Seither ist die Spur wieder erkaltet. DesLauriers zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass «das letzte Kapitel» in der Fahndung begonnen hat. Dabei setzt man auf die Bevölkerung: In den besagten Regionen will das FBI Plakate mit den gestohlenen Bildern aufhängen. Auf der FBI-Website wurde eine neue Seite eingerichtet. Das Museum hat eine Belohnung von fünf Millionen Dollar ausgesetzt. Die zuständige Bundesanwältin Carmen Ortiz erklärte zudem, die heutigen «Besitzer» des Diebesguts könnten auf Straffreiheit hoffen.
Die Tat selbst ist verjährt. Geoffrey Kelly, der die FBI-Untersuchung während sechs Jahren geleitet hatte, erklärte der «New York Times», dass die Kunstwerke im Laufe der Zeit sehr wahrscheinlich mehrfach weitergereicht wurden. Ein entscheidender Fortschritt war offenbar ein telefonischer Tipp vor drei Jahren. Er führte zu Robert Gentile, einem 75-jährigen Gebrauchtwagenhändler mit Verbindungen zur Mafia, der letztes Jahr in Connecticut verhaftet wurde. Bei der Durchsuchung seines Hauses fand man eine Liste der gestohlenen Meisterwerke, doch Gentile behauptet, mit der Sache nichts zu tun zu haben.
Erfolg wie im Fall Bulger?
Bringt der neue Fahndungsaufruf nun den Durchbruch? Das FBI und das Isabella Stewart Gardner Museum haben laut dem «Boston Globe» bereits «eine Flut von Tipps» erhalten. Vor zwei Jahren gelang es mit einer ähnlichen Publicity-Kampagne, den berüchtigten Bostoner Mafiaboss James «Whitey» Bulger aufzuspüren, dem 19 Morde zur Last gelegt werden. Nach wenigen Tagen erhielt das FBI den entscheidenden Hinweis, worauf Bulger in Kalifornien verhaftet wurde. Die Story wird demnächst mit Matt Damon in der Hauptrolle verfilmt.
Im Museum sind die Folgen des Mega-Kunstraubs bis heute zu sehen. Gründerin Isabella Stewart Gardner, die exzentrische Ehefrau eines reichen Bostoner Reeders, hatte testamentarisch verfügt, dass nach ihrem Tod 1924 an der Einrichtung nichts verändert werden durfte. Deshalb hängen die leeren Rahmen immer noch an Ort und Stelle.