«Mehr Lohn ist kein Naturgesetz» – Arbeitgeberverband kontert SGB

Aktualisiert

Heisser Lohnherbst«Mehr Lohn ist kein Naturgesetz» – Arbeitgeberverband kontert SGB

Der Gewerkschaftsbund fordert fünf Prozent mehr Lohn für alle. Das sei unrealistisch, sagt der Arbeitgeberverband – Lohnerhöhungen seien abhängig von den individuellen Leistungen.

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20min/Mikko Stamm

5 Prozent mehr Lohn: Darum gehts

  • Für 2024 müssten die Löhne rauf, sonst drohten Kampfmassnahmen, sagt der Gewerkschaftsbund. 

  • Die Unternehmen müssten jeden Franken zuerst verdienen, kontert der Arbeitgeberverband.

  • Die Löhne stiegen bereits jetzt über alle Einkommensklassen gleichmässig an.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) fordert für 2024 fünf Prozent mehr Lohn und begründet das unter anderem mit der Teuerung und der guten Konjunktur. Die Redaktion hat die Forderungen dem Arbeitgeberverband vorgelegt – Chefökonom Simon Wey hält von den Argumenten des SGB wenig.

Aussage 1: Nur die Chefs erhalten mehr Lohn, sonst profitiert niemand

Laut dem Gewerkschaftsbund haben die Arbeitgebenden vor allem die Gehälter der Chefetage erhöht – sonst profitiere kaum jemand. «Die Chefinnen und Chefs sind für Lohnverteilung zuständig und haben für sich selbst geschaut und weniger für ihre Leute», sagt Daniel Lampart, Chefökonom des Gewerkschaftsbunds.

«Die Fakten widerlegen diese Behauptung», kontert Wey. 2022 sei ein aussergewöhnliches Jahr gewesen, mit einem durchschnittlichen Reallohnverlust von 1,3 Prozent. Betrachte man aber eine längere Frist – etwa den Zeitraum zwischen 2012 und 2022 –, seien die Reallöhne durchschnittlich um 0,4 Prozent pro Jahr gestiegen.

Zudem zeige die Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für Statistik, dass sich die Lohnschere zwischen 2008 und 2020 kaum verändert habe. Gleichzeitig sei der Tieflohnsektor in den letzten Jahren geschrumpft. Und die Löhne stiegen als Folge des Arbeitskräftemangels über alle Einkommensklassen gleichmässig an, sagt Wey.

Aussage 2: Arbeitgebende profitieren auf Kosten der Arbeitnehmenden

Die Löhne müssten so stark steigen wie die Teuerung und die Arbeitsproduktivität, fordert der Gewerkschaftsbund: «Andernfalls verdienen die Arbeitgeber auf Kosten der Arbeitnehmenden mehr.»

Auch diese Aussage kommt bei Wey nicht gut an: Zahlen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) zeigten, dass die Arbeitnehmerentgelte am Bruttoinlandprodukt (BIP) 2021 und 2022 substanziell gestiegen seien. Laut Prognosen sollen sie auch 2023 nochmals raufgehen.

«Das bedeutet, dass die Arbeitnehmenden ihre Verhandlungsmacht als Folge des Arbeitskräftemangels durchsetzen», sagt Wey. Ausserdem seien Lohnerhöhungen abhängig von der individuellen Leistungsbereitschaft und darum nur in den seltensten Fällen gleich verteilt über alle Mitarbeitenden.

Wer hat die besseren Argumente?

Aussage 3: Wenns um den Lohn geht, malen Firmen plötzlich schwarz

«Die grossen Schweizer Firmen sind in ihren jüngsten Quartalsberichten teilweise geradezu euphorisch», sagt der Gewerkschaftsbund. Gehe es aber um den Lohn, höre man von den Firmen immer nur düstere Prognosen.

Die Fakten widerlegten diese Behauptung, sagt Wey vom Arbeitgeberverband. Denn gemäss Zahlen der KOF steige die Lohnquote, wenn man sie im Verhältnis zum BIP (der im Inland generierten Wertschöpfung) stelle. Das bedeute, dass die Gewinne der Unternehmen einen tieferen BIP-Anteil ausmachten.

Aussage 4: Steigen die Löhne nicht, drohen Kampfmassnahmen

Jetzt müssten die Löhne rauf, fordert der SGB – sonst drohten Streiks und Kampfmassnahmen.

«Lohnerhöhungen sind kein Naturgesetz», kontert Wey. Die Firmen müssten jeden Franken zuerst verdienen. Zudem ignoriere die Arbeitnehmendenseite, dass höhere Löhne nur eine Möglichkeit seien, um die Arbeitnehmenden am Erfolg eines Unternehmens teilhaben zu lassen.

Die Firmen erhöhten die Attraktivität für Mitarbeitende auch durch bessere Arbeitsbedingungen. «Eine Lohnerhöhung durch Kampfmassnahmen und Streiks durchzusetzen, wäre in der Schweiz ein Novum und würde die Sozialpartnerschaft nachhaltig schädigen», sagt Wey vom Arbeitgeberverband.

Das fordert der Gewerkschaftsbund

Fünf Prozent höhere Gehälter für 2024 wegen der Teuerung, des Lohnrückstands und der guten Konjunktur – diese Forderung hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) am Freitagmorgen in Bern gestellt. Die Argumente des SGB kannst du in diesem Artikel lesen.

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