VölkerrechtMehr Mitsprache für die Bevölkerung
Geht es nach dem rechtsbürgerlichen Lager, sollen völkerrechtliche Verträge «in wichtigen Bereichen» zwingend vors Volk. Der Nationalrat sprach sich aber gegen die Initiative aus.

Der Nationalrat debattiert derzeit über die AUNS-Initiative «Staatsverträge vors Volk».
Das Schweizer Stimmvolk soll bei Staatsverträgen vermehrt mitreden können. Der Nationalrat hat sich am Mittwoch für den direkten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Staatsverträge vors Volk!» ausgesprochen. Das Volksbegehren selbst erhielt nur die Unterstützung der SVP.
Den direkten Gegenvorschlag des Bundesrates hiess der Nationalrat mit 115 zu 52 Stimmen bei 4 Enthaltungen gut. Dagegen stimmte die SVP. Der Bundesrat will der Stimmbevölkerung zwar auch mehr Mitspracherecht zugestehen, er geht jedoch weniger weit als die Initiative.
Demnach soll das obligatorische Referendum nur für Staatsverträge eingeführt werden, die von ihrer Bedeutung her auf der gleichen Stufe wie die Bundesverfassung stehen. Heute beschränkt sich das obligatorische Referendum im Bereich der Aussenpolitik auf den Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften. Beispiele sind ein EU-, ein UNO- oder ein NATO-Beitritt.
Vorbehalte der Bundesrätin
Der Nationalrat und Justizministerin Simonetta Sommaruga waren sich einig: Das Anliegen der Initianten der AUNS, dem Stimmvolk mehr Mitsprache zuzugestehen, sei gut. «Nur ist es mit der direkten Demokratie schlecht zu vereinbaren, wenn das Stimmvolk über jede Detailfrage entscheiden muss», erklärte Sommaruga ihre Vorbehalte.
Der Gegenvorschlag merze diese Schwäche aus, sagte die Bundesrätin. Gemäss dem Gegenvorschlag kämen ein Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder die Annahme der europäischen Sozialcharta an die Urne - jedoch nicht jedes Doppelbesteuerungs- oder Freihandelsabkommen.
«Der Gegenvorschlag überzeugt», sagte etwa Josef Lang (Grüne/ZG). Bedenken gab es wenig - einzig BDP-Vertreter Martin Landolt (GL) fürchtete, der Gegenvorschlag könnte im Abstimmungskampf nicht gegen die Initiative bestehen. «Die Abstimmungen der vergangenen Monate haben uns geprägt», sagte er mit Blick auf die Ausschaffungsinitiative.
Für oder gegen das Volk
Mehrheitlich war die Debatte im Nationalrat von Argumenten für und gegen die AUNS-Initiative geprägt. Die SVP erklärte die Entscheidung über die Initiative zur Grundsatzfrage für oder gegen das Volk. Die Initiative stärke die direkte Demokratie, sagten die SVP-Vertreter. Die Regierung treibe internationale Verträge voran und schalte so den Volkswillen aus.
«Wer nah am Volk ist, stimmt für die Volksinitiative», hielt Hans Fehr (SVP/ZH) fest. Denn diese ermögliche es den Stimmbürgern, künftig über alle wichtigen völkerrechtlichen Verträge abzustimmen.
Genau darunter werde die direkte Demokratie leiden, argumentierten die Gegner der Initiative. «Der Bundesrat schliesst jeden Tag einen Staatsvertrag, das Parlament jede Woche», hielt Hans- Jürg Fehr (SP/SH) fest. Selbst wenn davon nur die «wichtigen Bereiche», wie es die Initianten fordern, zur Abstimmung gelangten, sei die direkte Demokratie überfordert.
FDP-Nationalrat Edi Engelberger (NW) warnte vor «Abstimmungsverdruss, Mehraufwand und Verzögerungen». Hans Stöckli (SP/BE) zitierte eine Schätzung des Eidg. Justizdepartements zu den Konsequenzen der Initiative. Demnach hätte das Stimmvolk zwischen 2005 und 2010 über 22 Staatsverträge abstimmen müssen. Es könne nicht sein, dass zweitrangige Staatsverträge durch eine mögliche Volksabstimmung blockiert würden, kritisierte Esther Egger (CVP/AG).
Unklare Formulierungen
Kritisiert wurde auch, die Initiative enthalte schwammige Ausdrücke - oder gar «schludrige» Formulierungen, wie es Josef Lang (Grüne/ZG) ausdrückte. Es sei nicht klar, was die Initianten unter «wichtigen Bereichen» verstünden.
«Ist Europapolitik wichtiger als die militärische Zusammenarbeit mit dem Ausland? Ist Datenschutz wichtig?», fragte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Bis jetzt hätten selbst Staatsrechtsexperten keine Antworten auf die Frage geben können.
Die Initiative der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) will völkerrechtliche Verträge «in wichtigen Bereichen» künftig zwingend Volk und Kantonen zur Abstimmung vorlegen. Darunter fallen auch Verträge, die einmalige Ausgaben von mehr als 1 Milliarde Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von über 100 Millionen Franken nach sich ziehen.
Die AUNS hatte die Initiative «Staatsverträge vors Volk!» am 11. August 2009 mit 108'579 gültigen Unterschriften eingereicht. (sda)