Kulturelle Aneignung: Mehrheit hat keine Probleme mit Rastas bei Weissen und Indigenen-Kostümen

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UmfrageSogar eine Mehrheit der SP-Wähler stört sich nicht an «Indianerkostümen»

Blackfacing, Dreadlocks und Fasnächtler, die sich als Indigene verkleiden: Was schon für so manchen Aufschrei gesorgt hat, scheint die Schweizer Bevölkerung nicht gross zu stören.

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In einer Umfrage von 20 Minuten und Tamedia in Zusammenarbeit mit Leewas wurden über 30’000 Menschen zu «problematischen Handlungen» befragt. Dabei ging es etwa um Blackfacing, weisse Menschen mit Dreadlocks oder auch Buddha-Dekorationen.

In einer Umfrage von 20 Minuten und Tamedia in Zusammenarbeit mit Leewas wurden über 30’000 Menschen zu «problematischen Handlungen» befragt. Dabei ging es etwa um Blackfacing, weisse Menschen mit Dreadlocks oder auch Buddha-Dekorationen.

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Die Resultate zeigen: Die Schweizer Bevölkerung stört sich nicht gross an diesen Handlungen. Sich für die Fasnacht etwa als indigene Person zu verkleiden finden 74 Prozent der Befragten angebracht oder eher angebracht.

Die Resultate zeigen: Die Schweizer Bevölkerung stört sich nicht gross an diesen Handlungen. Sich für die Fasnacht etwa als indigene Person zu verkleiden finden 74 Prozent der Befragten angebracht oder eher angebracht.

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Als weisse Person Dreadlocks zu tragen finden 84 Prozent der Befragten unproblematisch.

Als weisse Person Dreadlocks zu tragen finden 84 Prozent der Befragten unproblematisch.

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Darum gehts

  • Eine Umfrage von 20 Minuten und Tamedia zeigt, dass eine Mehrheit der Teilnehmenden weisse Personen mit Dreadlocks, indigene Fasnachtskostüme oder das Tragen von Kleidungen aus anderen Kulturen unproblematisch finden.

  • Einzig das Thema «Blackfacing», also wenn sich weisse Personen das Gesicht schwarz anmalen, wurde von Links- und Rechtswählenden unterschiedlich problematisch beurteilt.

  • SP-Nationalrat Matthias Aebischer empfehle allen, sich mit den Hintergründen der Handlungen auseinanderzusetzen.

  • SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann überraschen die Resultate nicht – es zeige, dass die Schweizer Bevölkerung «noch einen gesunden Menschenverstand» habe.

In den letzten Jahren tauchte die Diskussion immer häufiger auf, meist zur Fasnachtszeit: Ist es kulturelle Aneignung, wenn man sich als indigene Person verkleidet? Dürfen weisse Menschen Dreadlocks tragen oder sich das Gesicht schwarz anmalen?

In der gesellschaftlichen Debatte sind solche Handlungen oftmals verpönt und werden als rassistisch angesehen. Doch eine Umfrage zeigt: Eine Mehrheit der Bevölkerung in der Schweiz sieht diese Handlungen nicht als problematisch.

Auch Mehrheit der SP-Wählenden findet indigene Verkleidungen angebracht

So geht aus der Umfrage von 20 Minuten und Tamedia in Zusammenarbeit mit Leewas hervor, dass 74 Prozent der Befragten es für angebracht oder eher angebracht halten, sich an der Fasnacht als indigene Person zu verkleiden. Nur 22 Prozent finden dieses Vorgehen nicht oder eher nicht angebracht. Eine klare Ansicht haben dabei SVP-Wählerinnen und -Wähler, von denen 91 Prozent das Verhalten für angebracht halten – doch auch 52 Prozent der SP-Wählenden und 53 Prozent derjenigen, die sich der Grünen Partei zugehörig fühlen, finden indigene Kostüme bedenkenlos.

Auch als weisse Person Dreadlocks zu tragen, bewertet eine grosse Mehrheit als angebracht – 84 Prozent sehen darin kein Problem. Nur zehn Prozent finden Dreadlocks bei weissen Personen unangebracht.

Die Umfrage

30’754 Personen aus der ganzen Schweiz haben am 28. und 29. März 2023 an der Umfrage zu Sprache, Geschlecht und zur Diskussionskultur in der Schweiz von 20 Minuten und Tamedia teilgenommen. Die Umfrage wurde in Zusammenarbeit mit Leewas durchgeführt. Leewas modelliert die Umfragedaten nach demografischen, geografischen und politischen Variablen. Der Fehlerbereich liegt bei 1,0 Prozentpunkten.

«Blackfacing»: Meinungen zwischen Parteien gespalten

Noch klarer sind die Antworten darauf, ob weisse Personen Reggae-, Blues-, oder Gospel-Musik spielen dürfen: 94 Prozent der Befragten bewerten dies als angebracht, nur drei Prozent empfinden dies als unangebracht.

Kleidung aus anderen Kulturkreisen, wie Saris oder Kimonos zu tragen, geht für 83 Prozent der Befragten in Ordnung – zwölf finden es unangebracht.

Und: Als Nicht-Buddhist die Wohnung mit einer Buddha-Statue zu dekorieren, finden 79 Prozent der Befragten unproblematisch.

Etwas negativer reagierten die Befragten auf das Thema «Blackfacing»: 49 Prozent halten es für nicht oder eher nicht angebracht, sich das Gesicht schwarz anzumalen, 44 Prozent hingegen sehen darin kein Problem. 18 – 34-Jährige stellen sich als einzige Altersgruppe mit 58 Prozent mehrheitlich gegen das «Blackfacing». Hier spaltet sich die Meinung zwischen politisch linken und rechten Wählenden jedoch etwas: Während das «Blackfacing» von 67 Prozent der SVP-Wählenden als angebracht beurteilt wird, sind es bei SP-Wählerinnen und -Wählern nur 26 Prozent.

Hast du dich an der Fasnacht schon mal als indigene Person verkleidet?

SP-Nationalrat: «Empfehle allen, sich mit den Hintergründen auseinanderzusetzen»

«Bei weissen Musikern und Musikerinnen, die Reggae spielen, sind wir weit vom Blackfacing entfernt», sagt SP-Nationalrat Matthias Aebischer. Die verschiedenen Fragen der Umfrage müsse man einzeln behandeln, die Bandbreite der Handlungen sei sonst zu gross. «Ich empfehle aber allen, sich mit den Hintergründen dieser Handlungen, also etwa Blackfacing oder Dreadlocks, auseinanderzusetzen», so Aebischer.

Er habe selbst viel durch die öffentliche Debatte darüber lernen können – welche Bedeutung etwa Dreadlocks haben. «Zu verstehen, was das für People of Color bedeutet, ist sehr bereichernd und interessant – dass aufgrund von Dreadlocks jedoch ein Konzert abgebrochen wird, finde ich nicht toll», so der SP-Nationalrat. Ziel müsse es sein, sich mit den Problematiken auseinanderzusetzen. «Ich habe eine sehr differenzierte Ansicht und finde es nicht gleich ein Skandal, wenn sich die Kinder zu Hause als Indigene verkleiden», sagt er. So sei für Aebischer teils auch der öffentliche und mediale «Aufschrei» zu schnell und gross.

SVP-Nationalrätin: «Leute haben noch gesunden Menschenverstand»

Gar nicht überrascht von den Ergebnissen der Umfrage ist SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann: «Es zeigt eben doch, dass die Leute in der Schweiz noch einen gesunden Menschenverstand haben.» Es seien oftmals nicht die Betroffenen selbst, die laut seien – sondern weisse und linke Menschen, die sich anmassen würden, im Namen der Betroffenen «ein Theater zu machen», so Steinemann. «Das sind Probleme, die im akademischen Elfenbeinturm erfunden wurden und in der Realität gar nicht existieren», so die SVP-Nationalrätin.

Auch dass viele SP-Wählende die Handlungen, mit Ausnahme von Blackfacing, mehrheitlich bedenkenlos finden, sei für Steinemann keine Überraschung: «Auch SP-Wähler sind in der Regel vernünftige Menschen und sehen die sozialen Probleme anderswo – und nicht in einer Verkleidung.» Steinemann selbst hofft, dass die Debatte um kulturelle Aneignung nicht mehr lange andauere: «Wir haben andere Probleme.» 

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Rassismus betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Beratungsnetz für Rassismusopfer

GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

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