Nadja Benaissa: Mildes Urteil für No-Angels-Star

Aktualisiert

Nadja BenaissaMildes Urteil für No-Angels-Star

Für die Ansteckung eines Sexualpartners mit dem HIV-Virus ist die No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.

Erst ringt Nadja Benaissa noch sichtlich um Fassung, doch dann brechen die Tränen aus ihr heraus. Sie verbirgt ihr Gesicht hinter den Händen, ein Beamter im Darmstädter Gerichtssaal reicht der No-Angels-Sängerin eine Packung Taschentücher.

Sie kann ihre Gefühle nicht mehr kontrollieren, während Richter Dennis Wacker am Donnerstag das Urteil verkündet: zwei Jahre auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung, weil sie ihre HIV- Infektion verheimlicht und ungeschützten Sex hatte.

Ein Mann infizierte sich nach Überzeugung des Gerichts so mit dem Aids-Virus. Diese Last wird für die 28-Jährige bleiben, auch wenn sie jetzt nicht ins Gefängnis muss.

Als Benaissa am Mittag den Saal 3 des Amtsgerichts betrat, wirkte sie noch gefasst. Nachdem am Vortag die Staatsanwaltschaft nur eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren gefordert hatte, konnte sie damit rechnen, nicht ins Gefängnis zu müssen. Für den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Umfassendes Geständnis

Vor allem ihr umfassendes und reumütiges Geständnis bewahrte Benaissa vor einer härteren Strafe. Gleich zu Beginn des Verfahrens hatte der Popstar zugegeben, mit zwei Männern ungeschützten Sex gehabt zu haben, ohne sie zuvor über ihre HIV-Infektion informiert zu haben.

Einer der Ex-Partner steckte sich zwar nicht an, der andere dagegen ist heute wie die Sängerin HIV-positiv. Es stehe «zweifelsfrei» fest, dass er sich bei Benaissa infiziert habe, sagt Richter Dennis Wacker am Donnerstag in der Urteilsbegründung. Er stützt sich dabei auf ein wissenschaftliches Gutachten.

Das Gericht spricht die Angeklagte wegen gefährlicher und versuchter gefährlicher Körperverletzung schuldig. Das Urteil sieht für die Sängerin auch 300 Stunden gemeinnützige Arbeit vor - in einer Pflegeeinrichtung für HIV-Infizierte.

Der sichtlich erleichterte Anwalt Benaissas zeigt sich zufrieden, eine Freiheitsstrafe für seine Mandantin verhindert zu haben. Die Sängerin selbst äussert sich nicht mehr persönlich. Zu ihren Tränen im Gerichtssaal sagt deshalb der Verteidiger: Die Anspannung für die junge Mutter sei «extrem hoch» gewesen.

Turbulentes Leben

Im April vergangenen Jahres war Benaissa vor einem Auftritt in Frankfurt am Main festgenommen worden. Zehn Tage sass sie in U-Haft, ihre HIV-Infektion wurde publik.

Vergangene Woche begann dann der Prozess, der ihr turbulentes, dramatisches Leben in vielen Details beleuchtete: Mit 14 Jahren war sie crack-süchtig, zwei Jahre lebte sie auf der Strasse. Mit 16 war sie schwanger, bei einer Routineuntersuchung erfuhr sie von ihrer HIV-Infektion.

Nach dem Schock schien sie ihr Leben in den Griff zu bekommen. Sie gab die Drogen auf, ging auf eine Abendschule, war Klassenbeste. Doch sie schloss die Schule nicht ab, weil sie durch die Casting- Show «Popstars» zum Mitglied der Mädchenband «No Angels» wurde.

«Menschliches Versagen»

Mit ihrer HIV-Infektion ging Benaissa in all den Jahren meist verantwortungsvoll um, aber eben nicht immer. In den überwiegenden Fällen habe sie mit einem Kondom für Schutz gesorgt, sagt Wacker. Manche Männer klärte sie auch offen über ihre HIV-Infektion auf.

Jenen Ex-Partner, der sich trotz des ungeschützten Sexualverkehrs nicht angesteckte, klärte sie erst am Ende der Beziehung über ihre Krankheit auf. Der andere erfuhr erst drei Jahre später davon. Er ging sofort zum Arzt und bekam noch am selben Tag das niederschmetternde Ergebnis: HIV-positiv.

Am ersten Prozesstag waren sich Benaissa und ihr Ex-Partner, der in dem Verfahren als Nebenkläger auftrat, im Gerichtssaal begegnet. Er liess dabei seiner tief sitzenden Wut freien Lauf. Als das Urteil am Donnerstag verkündet wird, ist der Mann nicht anwesend.

Dass es in dem Verfahren vor allem um das Leid dieser Menschen und um die verhängnisvollen Fehler Benaissas ging, macht Richter Wacker klar: Es sei nicht darum gegangen, «ein Exempel zu statuieren». Vielmehr gehe es «allein um das menschliche Versagen einer Person». (dapd)

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